Dreidimensionale Körperwelten - 50 Jahre Computertomographie

Teil 2: Eine kurze Geschichte der Entwicklung der Computertomographie

von Dr. Uwe Busch, Deutsches Röntgen-Museum, Remscheid

Der wirkliche Durchbruch in der 3D-Bildgebung gelang erst durch die einsetzende Computerisierung in den 1970er Jahren. Bildgebende Systeme wie die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT) scannen den Körper Schicht für Schicht. Die daraus heute entstehenden riesigen Datenmengen werden von Computern digital zu dreidimensionalen Bildern zusammengesetzt. CT- und MRT-Daten sind auch die Basis für neueste 3D-Visualisierungstechniken, wie z.B. das Cinematic rendering.

Zwischen 1956 und 1964 führte der südafrikanische Medizinphysiker Allan McLeod Cormack (1924-1998) des Groote Schuur Hospitals in Kapstadt zur Verbesserung der Bestrahlungsplanung Berechnungen zur Strahlungsschwächung in inhomogenem Gewebe durch. 1964 veröffentlichte er seine Arbeit "Representation of a function by its line integrals, with some radiological applications“ im "Journal of Applied Physics.

Nach dem Studium der Elektronik am Faraday House Electrical Engineering College in London und der Arbeit im Bereich Radar der Royal Air Force während des Zweiten Weltkriegs trat der britischer Elektroingenieur Godfrey Newbold Hounsfield, (1919-2004) 1951 in die Forschungsabteilung von EMI Ltd. ein. Dort leitete er das Entwicklungsteam, das 1958-59 den ersten Volltransistor-Computer in Großbritannien, den EMIDEC 1100, baute. Mitte der 1960er Jahre arbeitete Hounsfield an der Erkennung von Bildmustern. Nach grundlegenden theoretischen Überlegungen entwickelte er ein Computerprogramm zur Simulation von Absorptionswerten. 1968 stellte er seinen Projektvorschlag für eine experimentelle Studie vor. "Der Zweck der Studie besteht darin, den Einsatz eines Computers zu untersuchen, um die Informationen, die bei der Untersuchung eines Objekts mit Gammastrahlen oder Röntgenstrahlen gewonnen werden, besser nutzen zu können".

Zur praktischen Überprüfung seine Ideen baute er aus vorhandenen Teilen der EMI Werkstatt zwischen 1967-68 eine erste Versuchsanordnung bestehend aus einen alten ausgemusterte Drehbank, einer Gammastrahlungsquelle (Americium-241) und einen NaJ Szintillationsdetektor. Als Testobjekt wurde ein komplexes Plexiglasmodell erstellt, das in Ein-Grad-Schritten zwischen Detektor und Strahlenquelle gedreht wurde. Die Messdaten wurden auf Lochstreifen gespeichert und zur Bildverarbeitung zum Nachfolger des EMIDEC Großrechners, einem ICL 1905, gebracht. Es dauerte neun Tage, um die Daten zu erfassen (ca. 28.000 Messungen) und zweieinhalb Stunden Rechenzeit, um das Bild zu rekonstruieren. Diese ersten Arbeiten wurden von einem sehr kleinen Team, bestehend aus Hounsfield, Stephen Bates (Programmierung), Peter Langstone (Elektronik) und Mel King (Mechanik), mit einem sehr geringen Budget von 25.000 £ durchgeführt. Dass die enormen, aus dem Verkauf von Beatles-Schallplatten stammenden Einnahmen für EMI zur Finanzierung der CT-Entwicklung diente, ist ein kleiner sich aber hartnäckig haltender Mythos.

Durch die Verwendung einer Röntgenröhre anstelle der Gammastrahlenquelle konnte die Datenerfassung auf 9 Stunden reduziert werden. Das Rekonstruktionsprogramm auf dem ICL 1905 erlaube die Berechnung einer 80x80 Matrix. Die Programmsprache war FORTRAN. Nach den ersten erfolgreichen Tests wurde am 5. November 1969 das Bild eines in Formalin eingelegten Gehirns aufgenommen. Der Londoner Neuroradiologe Evan Lennon erinnerte sich: "Ich habe eine gewisse Freude daran, dass ich der erste Mediziner war, der dies sah, und ich erkannte den suprasellaren Tumor, der Flecken von Kalzium enthielt, und ich erkannte, dass das Bild weiße von grauer Substanz unterschied.“ Lennon arbeitete im britischen Gesundheitsministerium und half Fördermittel für die Entwicklung eines klinischen Prototyps zu eruieren. Der EMI-Kopfscanners (Mark I) wurde im September 1971 im Atkinson Morleys Hospital in London installiert. Der Scanner bestand aus einer stationären Anoden-Röntgenröhre, die durch zirkulierendes Öl gekühlt wurde. Die Röntgenstrahlung wurde zu einem Bleistiftstrahl kollimiert. Um eine konstante gewebeäquivalente Weglänge zu gewährleisten, wurde der Kopf des Patienten in einen viereckigen wasserbefüllten Kasten positioniert, der sich mitdrehte, so dass die Röntgenstrahlung immer quer auf das Wasserbad auftraf. Diese Geometrie ermöglichte relative (Unterschied zwischen der absoluten Messung und der Messung nur durch Wasser) Messungen. So musste das Gerät nicht für unterschiedliche Durchstrahlungslängen in Bezug auf die Strahlaufhärtung kalibriert werden. Die Strahlung wurde dann von einem Natriumjodiddetektor gemessen, der an einem starren Metallrahmen befestigt war. Es standen zwei nebeneinanderliegende Detektoren mit einer Apertur von jeweils 5 x 13 mm verwendet, so dass zwei Schichten gleichzeitig aufgenommen werden konnten.

Am 1. Oktober 1971 wurde der erste klinische CT-Scan an einer lebenden Patientin aufgenommen. Mit Verdacht auf eine Hirnläsion zeigt der Scan einen kreisförmigen zystischen Tumor im Frontallappen. Die Scandaten wurden auf Magnetband gespeichert und an EMI zurückgeschickt, wo sie über Nacht auf einem ICL 1905-Computer verarbeitet wurden. Die ersten Bilder wurden mit Hilfe einer iterativen algebraischen Rekonstruktion erzeugt, die von Steve Bates auf dem ICL 1905 Mainframe implementiert wurde. Je Schnittbild wurde 20 Minuten Rechnerzeit benötigt. Später wurde zur Rekonstruktion die von Chris Lemay erfundene und patentierte Methode der gefilterten Rückprojektion oder Faltung verwendet. Auf dem ursprünglichen EMI Mark 1-Scanner dauerte die Verarbeitung eines 80x80-Bildes 7 Minuten, mit der gefilterten Rückprojektion konnte auf demselben Computer ein 160x160-Bild in 30 Sekunden nach Ende des Scans verarbeitet werden. Die wieder auf Magnetband gespeicherten rekonstruierten ersten Bilder wurden am nächsten Tag zurück ins Krankenhaus geliefert. Dort konnten sie auf drei Arten betrachtet werden: als Papierausdruck, auf einem Kathodenstrahlröhren-Display (CRT) oder als Polaroidbild des CRT-Displays.

Für die Herstellung von einem Prototyp und drei klinisch zu verwendenden Geräten, die genügend Geld einbringen sollten, um ein fünftes Gerät zu finanzieren, das Hounsfield und sein Team behalten und für weitere Forschung verwenden sollten, wurde vom britischen Gesundheitsministeriums die Hälfte der verbleibenden Forschungskosten finanziert. Im Gegenzug erhielt das Ministerium eine kleine Lizenzgebühr aus dem Verkauf. Damals rechnete man mit Kosten von 69 000 Pfund für ein komplettes funktionierendes System. Man einigte sich auf eine Förderung von 150 000 Pfund für jedes der vier Systeme. Die drei vom Gesundheitsministerium bestellten Systeme wurden im National Hospital for Neurology and Neurosurgery in London, in Manchester und in Glasgow installiert. 1973 wurden erste EMI Mark 1-CT-Scanner am Massachusetts General Hospital und in der Mayo Clinic installiert, wo am 19. Juni 1973 die erste klinische Untersuchung in den USA durchgeführt wurde.

Am 20. April 1972 stellten Godfrey Hounsfield und James Ambrose vom Atkinson Morleys Hospital beim 32. Congress des British Institute of Radiology ihre Ergebnisse unter dem Vortragstitel "Computerisierte Axialtomographie (ein neues Verfahren zur Darstellung einiger Weichteilstrukturen des Gehirns ohne Verwendung von Kontrastmitteln)" dem radiologischen Fachpublikum vor. Ein Jahr zuvor hatte eine Präsentation erster Versuche beim 2. Kongress der European Association of Radiology in Amsterdam hatten kein großes Interesse geweckt. Für die Präsentation von ersten klinischen Bildern beim Neuro-Postgraduiertenkurs am Albert Einstein College of Medicine in New York im Mai 1972 interessierten sich nur etwa ein Dutzend Teilnehmer.

Die Machbarkeit eines Körperscans wurde bei EMI bereits am 19. November 1973 geprüft.  Der dünnste Mann des EMI-Teams, Tony Williams wurde in einem Kopfscanner gescannt. Nach erfolgreichen Tests mit einem modifizierten Mark 1-Scanner entwickelte Hounsfields Team einen Prototyp eines Körperscanners. Der "Emerald-Ganzkörperscanner" wurde 1974 im Northwick Park Hospital aufgebaut. Für die ersten Körperbilder, die mit dem EMI CT5000 Prototyp-Gerät am 20. Dezember 1974 aufgenommen wurden, hatte sich Hounsfield als Probepatient selbst bereitgestellt. Die Bilder wurden am 14. März 1975 auf der ersten internationalen Konferenz über Computertomographie auf den Bermudas gezeigt.

Der zunächst als CT5000 bezeichnete Körperscanner wurde zum kommerziellen Seriengerät CT5005 weiterentwickelt. Bei diesen Körperscannern handelte es sich um Einschichtgeräte, die eine Gantry mit 30 Detektoren plus einem Referenzdetektor verwendeten, um die Scanzeit auf 20 s zu reduzieren. Die Matrix wurde auf 320x320 über ein wählbares Scanfeld von 240 mm, 320 mm oder 400 mm erhöht. Der CT5005 wurde erstmals auf dem RSNA im November 1975 vorgestellt.

CT-Generationen

Die technische Entwicklung der CT drückt sich in Fortschritten der Art der Anordnung und der Bewegung des Messsystems aus. Obwohl die Aufzählung fünf Generationen umfasst, sind heute alle verfügbaren Geräte sogenannte Rotation-Rotation-Geräte der dritten Generation.

Lesen Sie auch Teil 1: Auf der Suche nach einem dreidimensionalen Bild des Gehirns.

Verwendete und weiterführende Literatur

  • Bates S, Beckman L, Thomas A: Godfrey Hounsfield: Intuitive Genius of CT. BIR, London 2012
  • Kalender WA: Computertomography. Publicis MCD. Munich 2000
  • Thompson G (Editor): Nobel Prizes that changed medicine. Imperial College Press 2012
  • Eisenberg RL: Radiology – An illustrated History. Mosby-Year-Book. St. Louis 1992
  • Michael M. Lell, Joachim E. Wildberger, Hatem Alkadhi, John Damilakis, and Marc Kachelriess. Evolution in Computed Tomography - The Battle for Speed and Dose. Investigative Radiology • Volume 50, Number 9, September 2015. Archiv Deutsches Röntgen-Museum, Remscheid
  • htts://commons.wikimedia.org (Wikimedia commons)
  • www.radhis.nl/ct-generaties.html (CT Generaties - historische commissie NVvR (radhis.nl))

Dank
Für die Bereitstellung von vielen Informationen um die historische und aktuelle Entwicklung der CT möchte ich mich besonders bedanken bei:

  • Prof. Dr. Ir. Frans Zonneveld, Middelbeers, NL, Sekretär der Sektion Radiologiegeschichte der Niederländischen Röntgengesellschaft und Kurator des Zentrums für das Radiologische Erbe der Niederlande.
  • Dr. Kees Simon, Radiologe i.R., Sektion Radiologiegeschichte der Niederländischen Röntgengesellschaft und Kurator
  • Prof. Dr. Marc Kachelrieß, DKFZ, Heidelberg