Dreidimensionale Körperwelten - 50 Jahre Computertomographie

Teil 1: Auf der Suche nach einem dreidimensionalen Bild des Gehirns

von Dr. Uwe Busch, Deutsches Röntgen-Museum, Remscheid

Einen Blick in das Innere des menschlichen Körpers zu werfen, interessiert die Menschen schon sehr lange. Doch über Jahrhunderte hinweg war dieser Blick unter die Haut nur Ärztinnen und Ärzten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorbehalten, denn es gab nur eine Möglichkeit, das Körperinnere zu erkunden – man musste den Körper mit dem Skalpell aufschneiden. Mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen 1895 wurde es dann erstmals möglich, einen Blick in den lebenden Menschen zu werfen. Doch die frühen Röntgenaufnahmen waren nur zweidimensional. Man wandte zum Beispiel spezielle Betrachtungstechniken an, um die Röntgenaufnahmen so aufzubereiten, dass das menschliche Gehirn sie als dreidimensional wahrnimmt. Der wirkliche Durchbruch in der 3D-Bildgebung gelang erst durch die einsetzende Computerisierung in den 1970er Jahren. Bildgebende Systeme wie CT oder MRT scannen den Körper Schicht für Schicht. Die daraus heute entstehenden riesigen Datenmengen werden von Computern digital zu dreidimensionalen Bildern zusammengesetzt. CT- und MRT-Daten sind auch die Basis für neueste 3D-Visualisierungstechniken, wie z.B. das Cinematic rendering.

Die Geschichte der neuen Möglichkeiten des Einblicks in den menschlichen Körper beginnt am 22.12.1895. An diesem Tag nimmt Wilhelm Conrad Röntgen das Röntgenbild der Hand seiner Frau Anna Bertha auf. Seit dieser Zeit hat sich bis in die frühen 1970er Jahre an der Röntgenaufnahmetechnik relativ wenig geändert. In klassischen Röntgenbildern summieren sich die Schwächungen aller im Strahlengang befindlichen anatomischen Strukturen zu einem einzigen Überlagerungsbild. Kurz nach Röntgens Entdeckung werden bereits Stereoskopische Röntgenbilder hergestellt. Bei der 1930 entwickelten klassischen Technik der „Röntgentomographie“ werden Röntgenröhre und Film während der Aufnahme gegeneinander verschoben. Dabei entsteht ein scharfes überlagerungsfreies Bild von einer anatomischen Struktur in einer bestimmten Körperschicht. Anfang der 1970er Jahre brachte die Kombination von Computertechnik und Röntgentomographie einen entscheidenden Fortschritt. Bei EMI entwickelt Godfrey Hounsfield die „Computerisierte transversale axiale Tomographie" als neue Möglichkeit, Weichteilstrukturen des Gehirns ohne Kontrastmittel darzustellen. Messungen der einzelnen Schwächungsprofile erfolgen hier nicht mehr über die Schwärzung eines Röntgenfilms, sondern durch Umwandlung in elektrische Signale, die digitalisiert, den numerischen Input für einen Computer lieferten. Spezielle Rechenalgorithmen, sog. Radontransformationen lassen aus den Rohdaten zweidimensionale Schichtbilder rekonstruieren. Durch die hohe Kontrastauflösung konnten Weichteile differenziert und dargestellt werden. Erste klinische CT-Bilder werden am 1. Oktober 1971 im Atkinson Morley Hospital in London aufgenommen und am 20.April 1972 beim Kongress des British Institute of Radiology präsentiert. Als klinische Revolution erkannt, folgte eine rasante technologische Entwicklung, die bis heute immer noch nicht abgeschlossen ist.

Die jüngeren können sich wahrscheinlich nicht mehr vorstellen, wie radiologische Diagnostik vor Erfindung der CT war. Die 50 Jahre alte Technik hat dabei den Weg der modernen radiologischen Diagnostik und Therapie bereitet. Die CT hat sich vollkommen außerhalb der klassischen Projektionsradiographie entwickelt und hatte insbesondere das Bestreben, ein radiologisches Bild vom menschlichen Gehirn erzeugen zu wollen.

Der kurze Rückblick zeichnet die Spur der Suche nach einem dreidimensionalen Bild des Gehirns mit den wichtigsten klassischen technischen Entwicklungen auf. Hierbei treten die Röntgenstereoskopie, die Pneumoenzephalographie, die zerebrale Arteriographie, die klassische Tomographie und der Isotopenscan als besondere Lokalisierungsmethoden hervor. Unter Verwendung der Computertechnik konnte dann die Computertomographie alle vorherigen Verfahren in den Schatten stellen.

Lesen Sie auch Teil 2: Eine kurze Geschichte der Entwicklung der Computertomographie.

Verwendete und weiterführende Literatur

  • Bates S, Beckman L, Thomas A: Godfrey Hounsfield: Intuitive Genius of CT. BIR, London 2012
  • Kalender WA: Computertomography. Publicis MCD. Munich 2000
  • Thompson G (Editor): Nobel Prizes that changed medicine. Imperial College Press 2012
  • Eisenberg RL: Radiology – An illustrated History. Mosby-Year-Book. St. Louis 1992
  • Michael M. Lell, Joachim E. Wildberger, Hatem Alkadhi, John Damilakis, and Marc Kachelriess. Evolution in Computed Tomography - The Battle for Speed and Dose. Investigative Radiology • Volume 50, Number 9, September 2015. Archiv Deutsches Röntgen-Museum, Remscheid
  • htts://commons.wikimedia.org (Wikimedia commons)
  • www.radhis.nl/ct-generaties.html (CT Generaties - historische commissie NVvR (radhis.nl))

Dank
Für die Bereitstellung von vielen Informationen um die historische und aktuelle Entwicklung der CT möchte ich mich besonders bedanken bei:

  • Prof. Dr. Ir. Frans Zonneveld, Middelbeers, NL, Sekretär der Sektion Radiologiegeschichte der Niederländischen Röntgengesellschaft und Kurator des Zentrums für das Radiologische Erbe der Niederlande.
  • Dr. Kees Simon, Radiologe i.R., Sektion Radiologiegeschichte der Niederländischen Röntgengesellschaft und Kurator
  • Prof. Dr. Marc Kachelrieß, DKFZ, Heidelberg