Ventrikulographie und Pneumoenzephalographie

Die indirekte Darstellung von Gehirntumoren mit Hilfe von Kontrastmitteln wurde 1918 von dem US-Amerikaner Walter Edward Dandy (1886-1946) und vom Deutschen Adolf Bingel (1879-1953) parallel und unabhängig voneinander entwickelt. Zur Analyse von Läsionen wurden Luft und andere Gase wie Stickstoff und Sauerstoff als Kontrastmittel in das Ventrikelsystem des Gehirns injiziert. Ventrikulographie und Pneumoenzephalographie sind dabei Bezeichnungen für die gleiche Diagnostik, jedoch mit unterschiedlicher Lufteinführung: Die Ventikulographie erfolgte durch direkte Punktion (Dandy 1918), die Pneumoencephalographie durch Lumbalpuntion (Dandy 1919, Bingel 1921). Die Verfahren dienten der Hirntumor- und Hydrozephalusdiagnostik, führten in der Pionierzeit nur etwa ¼ der durchgeführten Untersuchungen zu einer richtigen Diagnose. Der Einsatz der Verfahren auch der Untersuchung psychischer Erkrankungen, wie z. B. der Schizophrenie, war aus heutiger Sicht ein Irrweg.

Pneumoencephalographie in sagittaler und lateraler Ansicht. 
aus: WH Dandy, Ventriculography following the Injection of Air into the Cerebral Ventricles. In: Ann Surg 68:5, 1918. Bibliothek Deutsches Röntgen-MuseumPneumoencephalographie in sagittaler und lateraler Ansicht. aus: WH Dandy, Ventriculography following the Injection of Air into the Cerebral Ventricles. In: Ann Surg 68:5, 1918. Bibliothek Deutsches Röntgen-MuseumMit der Ventrikulographie und der Pneumoenzephalographie begann eine neue Ära in der radiologischen Darstellung und der chirurgischen Behandlung von Hirntumoren. Mit entsprechendem Druck wurde Luft in das anpunktierte Ventrikelsystem gepresst. Anschließend musste zur Darstellung aller Konturen des Ventrikelsystems die Liquorreste „weggeschaukelt“ werden, damit die Kontur als Luft-Parenchymgrenze sichtbar wurde. Die Untersuchung war für die Patienten äußerst unangenehm und wurde von Kopfschmerzen, Übelkeit, Hypotonie, Schwäche und Schweißausbrüchen begleitet, die erst nach 3 Tagen abklangen. Außerdem war die frühe Sterberate hoch: Bei Dandy waren es drei von 100 Patienten und bei Bingel zwei von 200 Patienten, die nach der diagnostischen Pneumoenzephalographie starben. Da sich Luft als Kontrastmittel oft als unzureichend erwies, wurde in den 1950er und 1960er Jahren für bestimmte diagnostische Fragestellungen Pantopaque, ein dem Lipiodol ähnliches Kontrastmittel, hauptsächlich für die lumbale Myelographie eingesetzt.

Im Folgenden leistende insbesondere der britische Neuroradiologe Edward Wing Twining (1887-1939) wichtige Beiträge zur Verbesserung der neuroradiologischen Diagnostik. In Schweden entwickelt der Neuroradiologe Eric Lysholm gemeinsam mit dem Ingenieur Georg Schönander Schädelaufnahmestative zur präzisen Positionierung der Patienten. Erstaunlicherweise hat sich die Pneumoenzephalographie noch weiterentwickelt als der CT-Scanner schon zur Verfügung stand. So wurde z.B. 1975 der Philips Neuro Diagnost noch angeboten. Offensichtlich war das Vertrauen in der Computertomographie im Anfang noch nicht so besonders groß.

Kopfaufnahmestativ nach Eric Lysholm, 1927. Archiv Deutsches Röntgen-MuseumKopfaufnahmestativ nach Eric Lysholm, 1927. Archiv Deutsches Röntgen-Museum