Niedrigdosis-CT – wirksame Früherkennung von Lungenkrebs möglich


Hamburg im Juni 2011. In einer großen amerikanischen Studie vom National Cancer Institute (NCI) wurden 54.000 Teilnehmer untersucht – starke Raucher im Alter zwischen 55 und 74 Jahren – und der Nachweis erbracht, dass die Niedrigdosis-CT das Sterblichkeitsrisiko um 20 Prozent gegenüber der Röntgenuntersuchung senken kann. „Die Studie zeigt: Früherkennung bei Lungenkrebs ist möglich, und sie ist sinnvoll“ sagt Professor Dr. Stefan Diederich, Radiologe am Marienhospital Düsseldorf und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Thoraxdiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft. Doch bis zur Einführung eines flächendeckenden Screenings in Deutschland ist es noch ein weiter Weg, weiß der Lungenspezialist.

„Mit der amerikanischen Studie wird die 40-jährige Suche der Medizin nach einer verlässlichen Früherkennung von Lungenkrebs abgeschlossen“, sagt Professor Diederich und hebt damit die Bedeutung dieser Arbeit hervor. Weder die konventionelle Röntgenuntersuchung noch die Untersuchung von Auswurf (Sputum) mutmaßlich erkrankter Patienten brachte eine so eindeutige Treffsicherheit wie die Niedrigdosis-CT.

Doch der  Weg zu einem flächendeckenden Lungenkrebsscreening in Deutschland ist weit. Neben den rechtlichen Fragen – für die radiologische Untersuchung symptomfreier Personen ist eine Änderung der Röntgenverordnung nötig –  geht es vor allem um Fragen der Qualitätssicherung. „Es kann nicht sein, dass hier und dort ein bisschen Früherkennung angeboten wird“, so Diederich. Es müssen einheitliche Kriterien für die Beurteilung auffälliger Befunde festgelegt und Therapiepfade vereinbart werden. Die anbietenden Institute müssen interdisziplinär vernetzt sein, neben Radiologen braucht es Pulmologen (Lungenfachärzte) und Thoraxchirurgen für die optimale Versorgung dieser Patienten.

 

Aufklärung ist wichtig – in vielerlei Hinsicht

Eine Schlüsselrolle für die wirksame Lungenkrebsfrüherkennung ist das intensive Aufklärungsgespräch. „Wir müssen den Patienten deutlich machen, dass nur ein ganz geringer Teil der eingeladenen Personen auch wirklich betroffen ist“, sagt Professor Diederich. Denn trotz der recht engen Kriterien, die die amerikanische Studie empfiehlt – Alter zwischen 55 und 74, 30 Packungsjahre Zigarettenkonsum – liegt das Risiko einer Lungenkrebserkrankungen bei maximal drei Prozent. „Außerdem müssen wir die Patienten auf die Gefahr falsch-positiver Befunde hinweisen. Die Niedrigdosis-CT ist zwar der Goldstandard bei der Detektion von Lungentumoren. Aber auch mit optimalen Untersuchungsmethoden lässt sich nicht ausschließen, dass der Radiologe Krebs sieht, wo keiner ist – mit der Folge weiterer auch psychisch belastender Untersuchungen“, erklärt Professor Diederich.

Aufklärung ist aber auch in die andere Richtung wichtig. „Wir können keine hundertprozentige Garantie geben, dass eine ‚gescreente‘ Person keinen Krebs hat“ mahnt der Düsseldorfer Radiologe. Erschwerend kommt die Krebsbiologie hinzu: Neben sehr langsam wachsenden Lungenkrebsarten gibt es auch höchst aggressive Formen (meist kleinzellige Karzinome), die ihre Ausdehnung  in Wochen oder gar Tagen verdoppeln. In dem von Experten favorisierten Screening-Intervall von zwölf Monaten würden Patienten mit diesen Krebstypen häufig nicht entdeckt werden.

 

Lungenkrebs in der Computertomografie Marienhospital Düsseldorf

Abschreckende Wirkung durch CT-Aufnahmen der eigenen Lunge

Schließlich muss der Patient über die Risiken des Zigarettenrauchens aufgeklärt werden. „Tabakrauch birgt das mit Abstand höchste Risiko an Lungenkrebs zu erkranken“, erklärt Professor Diederich. Wichtiger Bestandteil der Aufklärung ist es daher, die Patienten zur Teilnahme an  Rauchentwöhnungsprogrammen zu bewegen. „Deren Erfolgsquote ist mit rund 15 Prozent aber recht niedrig“, sagt Prof. Diederich. Verschieden Studien belegen hingegen die Macht der Bilder: 45 bis 50 Prozent geben das Rauchen dauerhaft auf, wenn ihnen  der Radiologe ihre CT-Befunde präsentiert. Denn diese Bilder zeigen nicht nur mögliche Krebsherde, sondern auch die für starke Raucher typischen Verkalkungen der Herzkranzgefäße sowie Aufblähungen der Lungenbläschen, sogenannte Lungenemphyseme, die für die Kurzatmigkeit starker Raucher verantwortlich sind.

 

Anstieg von Früherkennungsangeboten

Wenn auch die Einführung eines flächendeckenden Screenings noch Jahre dauern dürfte, prognostiziert Professor Diederich doch einen Anstieg von Früherkennungsangeboten. Starke Raucher, die sich schon jetzt einer Früherkennungsuntersuchung mittels der Niedrigdosis-CT unterziehen möchten, empfiehlt Diederich, sich an Zentren zu wenden, die über die nötige apparative Ausstattung, vor allem aber über oben beschriebene interdisziplinäre Kompetenz verfügen.

veröffentlicht am Mittwoch, 1. Juni 2011