90 JAHRE NAR

Normen sorgen für Vertrauen in Innovationen

Werden Radiologen in zehn Jahren überhaupt noch Bilder betrachten? Und wie viel Normung braucht es, um im Zeitalter der Digitalisierung weiterhin hohe Qualitätsstandards gewährleisten zu können? Unter dem Motto „Digitalisierung und Radiologie – Impulsgeber und Medizin“ feierte der DIN-Normenausschusses Radiologie (NAR) am 12. Dezember 2017 seinen 90. Geburtstag mit einem Fachsymposium. Auf Einladung des NAR und des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) diskutierten Vertreter der strahlenmedizinischen Fachgesellschaften – der Deutschen Röntgengesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik, der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie – sowie Vertreter von Industrie und Behörden mit Entscheidern aus Kliniken und Praxen, Fachärzten und Medizinphysikern die Herausforderungen der Normungsarbeit im Kontext der Digitalisierung.

Mit einem festlichen Symposium feierte der NAR sein 90-jähriges Bestehen in der Charité-Hörsaalruine.Mit einem festlichen Symposium feierte der NAR sein 90-jähriges Bestehen in der Charité-Hörsaalruine.DRGIm außergewöhnlichen Ambiente der so genannten Hörsaaalruine auf dem Gelände der Charité wurde die Normungsarbeit im Rahmen eines festlichen Symposiums aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachtet. In seinem Auftaktvortrag griff Dr. Peter Gocke, Chief Digital Officer der Charité Universitätsmedizin in Berlin, das Leitthema des Symposiums auf und erläuterte die Digitalisierungsstrategie des Krankenhauses. Die digitale Transformation des Hauses sei eine Chance für eine bessere Medizin. Bewusst kontrovers stellten die Veranstalter anderen nachfolgenden Referenten die Frage, wie viel Normung denn überhaupt notwendig sei. Die einhellige Meinung aus Sicht des Sachverständigen Dr. Jürgen Westhof vom Regierungspräsidium Kassel sowie der Vertreter der Gerätehersteller und Standardisierungsorganisationen: Normen müsse und werde es auch weiterhin geben, um Transparenz für Industrie und Anwender zu schaffen. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung sorgten Normen für Vertrauen in Innovationen. „Gerade die Normen, die einen besonders großen Impact auf viele Menschen haben, sind hoch relevante Normen für den medizinischen Alltag. Als Beispiel möchte ich die Bildschirmnorm 6868-157 nennen, die in ihrer Entstehung kontrovers diskutiert wurde. Denn jeder Kardiologe oder Urologe, der mit einer Durchleuchtungseinheit arbeitet, und natürlich jeder Radiologe, muss die Bildschirme, die er nutzt, nach dieser Norm kalibrieren.“, erläutert Prof. Dr. Gerald Weisser, Vorsitzender des NAR. Prof. Dr. Stefan Schönberg, Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, stützt diese Einschätzung: „Seit 90 Jahren leistet der NAR eine wertvolle Strukturarbeit, die ich als echte Errungenschaft und Stärke ansehe. Ich sehe die Normung als konstruktiven Prozess an, in dem idealerweise Medizin, Physik, Hersteller und politische Entscheider Hand in Hand auf ein klares Ziel hinarbeiten.“


Die Vertreter der Fachgesellschaften in der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Dr. Michael Meyer (ZVEI), Dr. Cord Schlötelburg (VDE), Prof. Dr. Thomas Penzel (Charité), Prof. Dr. Katia Parodi (DGMP), Prof. Dr. Wilfried Budach (DEGRO), Prof. Dr. Bernd Joachim Krause (DGN), Prof. Dr. Stefan Schönberg (DRG).Die Vertreter der Fachgesellschaften in der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Dr. Michael Meyer (ZVEI), Dr. Cord Schlötelburg (VDE), Prof. Dr. Thomas Penzel (Charité), Prof. Dr. Katia Parodi (DGMP), Prof. Dr. Wilfried Budach (DEGRO), Prof. Dr. Bernd Joachim Krause (DGN), Prof. Dr. Stefan Schönberg (DRG).DRGSchönberg führte auch durch die anschließende Podiumsdiskussion mit Vertretern der beteiligten Fachgesellschaften. Dort wurde kontrovers diskutiert, welche Strukturen sich verändern müssen, um auf die atemberaubende Geschwindigkeit der Digitalisierung einzugehen. Klarer Tenor: Trotz immer kürzerer Innovationszyklen seien gerade die hohen technischen Standards und die Behandlungsqualität in Deutschland im globalen Vergleich ein klarer Exportvorteil. Sie sollten daher auch die Normungsarbeit von morgen bestimmen.

Auch ein geschichtlicher Rückblick durfte natürlich nicht fehlen. In seinem Vortrag ließ der ehemalige Geschäftsführer des NAR, Dr. Bernd Seidel, die Normungsarbeit seit der Gründung des NAR im Jahr 1927 durch die Deutsche Röntgengesellschaft Revue passieren. Seinen krönenden Abschluss fand das Jubiläumssymposium im Festvortrag von Dr. Mirjam Jenny vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, die einen Blick auf das Gesundheitswesen von morgen warf und beleuchtete, welche Entscheidungsheuristiken und Risikokompetenzen Ärzten und Patienten benötigen.