Egas Moniz (1874-1955)

von Dr. Uwe Busch, Deutsches Röntgen-Museum, Remscheid

Vor 140 Jahren wurde der bedeutende portugiesische Neurologe Egas Moniz geboren. 1928 entwickelte er mit der cerebralen Arteriographie grundlegend neue Möglichkeiten der neurologischen Bildgebung.

Von der Existenz intrakranieller Tumoren berichtet die medizinische Literatur schon seit mehreren Jahrhunderten. Ihre klinische Lokalisation wurde jedoch erst durch die medizinische Anwendung der Röntgenstrahlen möglich. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten jedoch nur wenige Gehirntumoren mit Hilfe der Röntgentechnik lokalisiert werden. Erst die Entwicklung von Kontrastmitteln mit Sichtbarmachung von intrakraniellen Strukturen brachte einen entscheidenden Wandel.

Einen wesentlichen Beitrag zur indirekten Darstellung von Gehirntumoren mit Hilfe von Kontrastmitteln leistete im Jahr 1918 der amerikanische Neurochirurg Walter E. Dandy. [1] Zur Analyse von Massenläsionen injizierte Dandy Luft und andere Gase wie Stickstoff und Sauerstoff als Kontrastmittel in das Ventrikelsystem des Gehirns. Aber auch  Lipiodol  und Substanzen wie Jodkalium, Kollargol und salpetersaures Wismut wurden von Dandy mit mehr oder weniger gutem Erfolg verwendet. Nur etwa ¼ der durchgeführten Ventrikulographien führten zu einer richtigen Diagnose.

Unter Zugrundelegung der Arbeiten Dandys entwickelte Moniz eine neue Technik zum Nachweis  von Gehirntumoren. Seine Überlegungen basierten auf der Tatsache, dass eine einfache Lokalisation intrakranieller Massenläsionen durch die röntgenologische Darstellung der von ihnen hervorgerufenen Deformierungen der zentralen Gehirnstrukturen, wie etwa der Ventrikel oder der Blutgefäße, möglich ist. 1925 begann er gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Pedro Manuel de Almeida Lima (1903-1985) seine Untersuchungen. Erste Versuche, bei denen den Patienten hohe Dosen Lithiumbromid intravenös injiziert oder parenteral durch das Schlucken verabreicht wurden, schlugen fehl. Auch Strontiumbromide, die ebenfalls von Patienten gut vertragen wurden, lieferten keine positiven radiologischen Ergebnisse. Erfolgreicher war der Weg der intra-arteriellen Verabreichung von Kontrastmitteln. „Die unserer Arbeit zur Erlangung der cerebralen Arteriographie zugrunde gelegte Leitidee war folgende: Nachdem das normale Schema der Anordnung der Gehirnarterien, welche für Röntgenstrahlen undurchsichtig gemacht worden waren, festgestellt worden war, hielten wir es für möglich, in einem größerem Teil der Fälle eine Lokalisation der Geschwülste durch die Veränderung der normalen arteriellen Zeichnung des Gehirns zu stellen. Viele Geschwülste, zumal die stark vaskularisierten, mußten ein abnormes Gefäßnetz aufweisen.“ [2]

Zur Darstellung feinster Strukturen auf Röntgenaufnahmen  hatten sich ölige Jodverbindungen als besonders gut erwiesen. Das vom französischen Neurologen und Radiologen Jean-Athanase Sicard (1872-1929) zur Myelographie und Ventriculographie erfolgreich eingesetzte Kontrastmittel Lipiodol konnte jedoch nicht für arterielle Forschungen benutzt werden. Versuche hatten gezeigt, dass es kapillare Embolien verursacht. Damit das Kapillarnetz ohne Komplikationen passiert werden konnte, war es notwendig, eine Substanz in wässriger Lösung zu finden. Erste Versuche wurden mit Bromsalzen unternommen. Dabei zeigte sich, dass eine 70%ige Strontium- und Lithiumbromidlösung bei intravenöser Verabreichung für den Patienten verträglich war und zudem eine ausreichende Kontrastauflösung im Röntgenbild liefern sollte. Im November 1926 gelang es Moniz und Almeida Lima, das Gehirnarteriogramm eines Hundes aufzunehmen. Die Expositionszeit für die Röntgenaufnahme betrug ¼ Sekunde. Nach diesen ersten Erfolgen setzten Moniz und seine Mitarbeiter die anatomischen Studien an Leichenarterien fort. Ziel war es, die wichtigsten Gehirnarterien zu identifizieren und zu katalogisieren. Dieser Katalog sollte später zur Deutung der Arteriogramme beim lebenden Menschen dienen [3].

Noch im Jahr 1927 gelang die erste Lokaldiagnose eines Hirngeschwulstes an einer Leiche. In die Carotis interna der Leiche injizierte Moniz 8 ccm einer 100%igen Jodnatriumlösung. Nachdem der Nachweis der Unschädlichkeit von Strontiumbromid beim Hund vorlag und die Darstellung des Hirnarteriennetzes an einer Leiche gelungen war, begann Moniz mit seinen Versuchen am Menschen. Dieser erste Erfolg auf dem Weg zur cerebralen Angiographie wurde jedoch vom Tod des Patienten überschattet. Aufgrund einer Überdosierung der benutzten Lösung und der unnötigen allzu langen Dauer der Carotisunterbrechung, trat beim Patienten kurz darauf eine Thrombose der Carotis auf und er verstarb am nächsten Tag.

Nach einer einmonatigen Unterbrechung beschloss Moniz, anstelle von Bromiden nunmehr mit Jodiden zu arbeiten. Bei einem 20 jährigen Mann mit einem großen Hypophysentumor erhielt Moniz nach der Injektion von 5 ccm einer 25%igen Jodnatriumlösung am 12. Mai 1927 endlich die erhofften guten Röntgenaufnahmen. Die röntgenologische Darstellung der Verdrängung und Veränderung des Hirnarteriennetzes ermöglichte tatsächlich die Lokalisation bestimmter Hirntumoren. Am 7. Juli 1927 fuhr Moniz nach Paris, um seine Forschungsergebnisse der Societé de Neurologie und der Académie de Médicine vorzustellen.

In der Zeit zwischen 1927 und 1931 führte Moniz 302 Arteriographien in seiner Abteilung durch. Dabei konnten viele Geschwülste lokalisiert und operativ behandelt werden. Im Jahr 1928 beschrieb Moniz das Aussehen der Arterien bei der Arteriosklerose des Gehirns: die Zunahme des Volumens, die Unregelmäßigkeit des Durchmessers mit Erweiterungen und Verengungen, die Veränderung ihrer Krümmungen. Anhand von Arteriogrammen gelang es Moniz im Jahr 1929, den dem Meningiom eigenen Kreislauf     (A. carotis externa) zu beschreiben. Dies ermöglichte fortan die Differentialdiagnose zwischen Meningiomen und anderen Tumoren.

Bei der Suche nach einem geeigneten Kontrastmittel erwies sich bald Thorotrast als besser verträgliche, ausgezeichnet schattengebende und weniger gefährliche Substanz zur Arteriographie. Das Thorotrast wurde zum ersten Mal von Dos Santos, Lamas und Caldas zur Sichtbarmachung von Arterien der Extremitäten eingesetzt. Am 14. Oktober 1931 gelang Moniz das erste gute cerebrale Arteriogramm mit Thorotrast. Von diesem Zeitpunkt an verwendeten Moniz und seine Mitarbeiter ausschließlich Thorotrast für die intracranielle Injektion. [4]

Auch die radiologischen Aufnahmetechniken wurden verbessert. Mit Hilfe eines „Karusselsystems“ konnten sechs Radiographien mit einer Belichtungszeit von 2/100 Sekunden in einem Zeitintervall von einer Sekunde aufgenommen werden. Mit dieser Technik führte Moniz am 19. Dezember 1931 seine erste Phlebographie durch. Ebenfalls im Jahr 1931 gelangen ihm die ersten antero-posterioren Arteriogramme. [5]

Mit Hilfe der seitlichen Phlebogramme konnte sehr gut die Verteilung der oberflächlichen und der tiefen Venen des Gehirns und der Durasnus  studiert werden. Erste Mitteilungen über das Studium der Blutströmungsgeschwindigkeit im Gehirn veröffentlichte Moniz im Jahr 1932. Nach der Veröffentlichung des ersten Bandes [6] zur cerebralen Angiographie im Jahr 1931 gab MONIZ im Jahr 1934 einen zweiten Band [7] heraus, der die weitergehenden Forschungsergebnisse enthielt.

Egas Moniz wurde als Antonio Gaetano de Abreu in Avanca am 29. November 1874 geboren. Seine Familie gehört zu den angesehensten und ältesten Familien in Portugal. Nach seinem glänzenden Schulexamen immatrikulierte er sich zuerst im Fach Mathematik. 1894 wechselte er zum Studium der Medizin. Nebenbei absolvierte Moniz Kurse in Philosophie und Griechisch. Während seines Studiums engagierte sich Moniz aktiv auf politischem Gebiet. Er schrieb eine Reihe von politischen Pamphleten und adoptierte daraufhin den Namen Egas Moniz, einem Helden der portugiesischen Resistance gegen die Mauren im Mittelalter. Nach Abschluss des Studiums promovierte Moniz 1901 mit einer Dissertation zum Thema „Das Sexualleben - 1. Die Physiologie“. An der Fakultät für Medizin der Universität von Coimbra habilitierte er sich ein Jahr später  mit der Arbeit „Das Sexualleben - 2. Die Pathologie“ und wurde zum apl. Professor für Anatomie, Histologie und Pathologie berufen. Nach kurzer Zeit verließ Moniz die Universität von Coimbra, um zuerst in Bordeaux und später in Paris bei Joseph Jules François Félix Babinski (1857-1932) Pierre Marie (1853–1940) und Joseph Jules Dejerine (1849-1917), Neurologie zu studieren. Von 1902-1909 arbeitete Moniz an der neurologischen Klinik von Babinski.

Neben seinen medizinischen Interessen engagierte sich Moniz weiter auf dem politischen Gebiet. Seit 1903 war er Abgeordneter des portugiesischen Parlaments. 1908 wurde er unter der Diktatur von Joao Franco (1855-1929) zum ersten Mal inhaftiert. Nach der politischen Neugliederung in Portugal und dem Aufbau der Republik, erhielt Moniz im Jahr 1911 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Neurologie an der neuorganisierten Universität von Lissabon. 1916 wird er zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Lissabon berufen.
Unter der Präsidentschaft von Sidonio Pais (1872-1918) wurde Moniz Abgeordneter der National-Republikanischen Partei. 1918 wurde er zum portugiesischen Botschafter in Madrid und im Oktober zum portugiesischen Außenminister berufen. Am Ende des ersten Weltkrieges führte Moniz die portugiesische Delegation bei den Friedensverhandlungen in Versailles im Jahr 1919 an. Nachdem Pais einem Attentat am 18. Dezember 1919 zum Opfer fiel, wurde Moniz aus seinem Amt entlassen. Daraufhin widmete er sich fortan ganz der Medizin. Eine Anfrage zur Übernahme des Präsidentenamtes in Portugal, die er im Juni 1951 von den Republikanischen Parteiführern erhielt, lehnte er ab.

Für seine großartigen Forschungsleistungen erhielt Moniz zahlreiche Auszeichnungen. Nachdem er am 5. Mai 1923 zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Lissabon berufen wurde, wurde er deren Präsident in den Jahren 1928, 1930, 1934, 1936, 1938 und 1940. Zudem war er Ehrenmitglied zahlreicher nationaler radiologischer und neurologischer Gesellschaften, u.a. erhielt er die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Röntgengesellschaft. Die medizinische Fakultät der Universität Oslo zeichnete ihn im Jahr 1945 mit dem Neurologie-Preis aus. Für seine bedeutenden Arbeiten zur präfrontalen Leukotomie erhielt Moniz gemeinsam mit Walter Rudolf Hess (1881-1973) 1949 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie verliehen.
Nach seiner Emeritierung im Jahr 1945 widmete sich Moniz vermehrt seinen künstlerischen Interessen. Er veranstaltete weiter zahlreiche Kunstsymposien und er wurde häufig zu Ausstellungseröffnungen als kompetenter Redner gebeten. Bei der Einladung des brasilianischen Präsidenten in die Akademie der Künste sagte Moniz „ … Doctors lack a vast general knowledge, which requires a sound artistic basis. Those who hide themselves behind their scientific preoccupations without, once in a while lifting their eyes to the above, to the brilliant dominions of Art, have not a complete education.” [8]

Moniz saß Modell für eine Bronzebüste des Bildhauers Rodolfo Pinto do Couto (1888–1945), dem späteren Leiter der Schule der Feinen Künste in Porto. Er fand Zeit zum Schreiben seiner Autobiographie, er verfasste ein Buch über die Geschichte des Kartenspiels und er veröffentlichte eine Biographie über Johannes XXI, den einzigen Mediziner, der Papst wurde.
Egas Moniz starb am 13. Dezember 1955 im Alter von 81 Jahren.


Anmerkungen und Literatur

[1]    Dandy WE, Ventriculography Following the injection of air into the cerebral ventricles, Ann. Surg. 68:5-11, July 1918
[2]    Moniz E, Die cerebrale Arteriographie und Phlebographie, S. 2, Berlin 1940
[3]    Moniz E, Dias A, Lima A, La radioartériographie et la topographie cranio-encephalique, Journal de radiologie, Paris 1927
[4]    Moniz E, Die Vorzüge des Thorotrasts bei arterieller Encephalographie, Röntgenpraxis Heft 2, 1932
[5]    Moniz E, Physio-Röntgenologie des Blutkreislaufes im Gehirn, in den Meningen und in den übrigen Geweben des Kopfes, Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen, Vol 48-4, S.398-405, Leipzig 1933
[6]    Moniz E, Diagnostic des tumeurs célébrales et épreuve de l’encéphalographie artérielle, Paris 1931
[7]    Moniz E, L’angiographie cérébrale. Ses applications et résultats en anatomie, physiologie et clinique, Paris 1934
[8]    Portuguese Society of Radiology and Nuclear Medicine (Hrsg.), Egas Moniz and Reynaldo dos Santos - Catalogue of the itinerant Exhibition, S. 78, Lisboa 1982