Viele Vorteile und ein Problem

Warum Tumorboards aus Sicht deutscher Radiologen unverzichtbar sind

Prof. Dr. Hermann Helmberger In Deutschland kamen die ersten Tumorboards vor knapp 20 Jahren auf. Initiiert von Chirurgen und unter ihrer Leitung baten sie zu ihren Frühbesprechungen nicht nur Onkologen, Strahlentherapeuten und Radiologen sondern immer öfter auch Pathologen hinzu. So hat zumindest Prof. Dr. Hermann Helmberger, Chefarzt des Zentrums für Radiologie und Nuklearmedizin am Klinikum Dritter Orden in München-Nymphenburg, die Einführung der Tumorboards am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München in den 90er Jahren erlebt. Der Auslöser für Tumorboards war laut Helmberger das Aufkommen neoadjuvanter Therapiekonzepte. „In dem Moment, als die Behandlung der Tumoren deutlich vielschichtiger geworden war und die einzelnen Therapieschritte ineinander greifen mussten, wurde es sinnvoll, das Vorgehen im Vorfeld aufeinander abzustimmen“, erklärt der Münchner Radiologe.

Die Patienten profitieren

Vor gut zehn Jahren sind die Fachgesellschaften mit der Zertifizierung von Zentren auch auf den Trend der strukturierten Qualitätssicherung in der Krebsbehandlung aufgesprungen. Ein zentraler Punkt der Qualitätsaudits und entscheidend für die Zertifizierung durch OnkoZert und die Deutsche Krebsgesellschaft ist dabei der interdisziplinären Austausch in den Tumorboards. Mit ihnen steht und fällt die Zertifizierung eines Zentrums. Zunächst etablierte sich dieses Vorgehen bei der Behandlung von Brustkrebstumoren. Der Impuls dazu ging in Deutschland ganz stark von den Patientinnen und ihren Selbsthilfeorganisationen aus, die sowohl auf die Politik wie auch die Behandelnden Druck ausübten, die Behandlung zu standardisierten und zu verbessern. „Bis zu diesem Zeitpunkt hing die Behandlung stark vom Können und der Entscheidung des behandelnden Arztes ab. Zumeist bestand die Therapie in der operativen Entfernung des Tumors ohne strukturierte Nachbehandlung.“ In Zukunft wird es laut Helmberger vermutlich – zumindest für spezielle Tumore – überhaupt keine Behandlung mehr außerhalb zertifizierter Zentren geben.

„Die Bedeutung der Tumorboards steigt parallel mit den Fortschritten in den einzelnen Disziplinen: Brustkrebs ist heute nicht mehr gleich Brustkrebs, die ganze Breite von Diagnose und Therapie kann nur noch die Klinik anbieten, die sich jeden Tag damit beschäftigt,“ erklärt Hermann Helmberger. Etwas anders verhält es sich mit den Darmzentren, deren Zertifizierung in einer zweiten Welle auf die Brustzentren folgte, die aber weit weniger flächendeckend zu finden sind. Eine Ursache dafür mag die geringere Wahlfreiheit der Patienten sein, denn die Operation eines lebensbedrohlichen Darmverschlusses, oftmals als Folge einer Krebserkrankung, muss an Ort und Stelle und sofort erfolgen – egal ob die Klinik nun zertifiziert ist oder nicht.

Tumorboards bringen Personalprobleme

Bei allen Vorteilen, die Helmberger in der Arbeit der Tumorboards sieht, vor allem hinsichtlich des Patientenoutcomes, stellt der Zeitaufwand für die teilnehmenden Disziplinen, ein nach wie vor nur schwer zu lösendes Problem dar. „Es kostet etliche Mannstunden, vor allem der Besten aus den beteiligten Fächern. Denn in den Boards sitzen mindestens ein Facharzt, besser noch ein Oberarzt. Anders als in den USA und deutschen Universitätsklinika können kleinere radiologische Abteilungen nicht für jede Tumorkonferenz einen Spezialisten ausbilden. Dadurch haben wir zwar den Vorteil, dass unsere Ärzte in den Tumorboards auch über den Tellerrand ihrer Disziplin hinausschauen können, aber weil dieser Spezialist auch in der Klinik gefordert ist, finden diese Konferenzen zumeist in die Randzeiten statt, also entweder früh morgens oder spät nachmittags, was nicht gerade zu einer Beliebtheitssteigerung der Veranstaltung führt“, sagt der Chefarzt.

Keine Lösung ist, laut Helmberger, der Einsatz zusätzlicher Honorarkräfte nur für Tumorkonferenzen, zum einen weil dies von den Kassen nicht honoriert wird und auch deshalb, weil die Ärzte während der gesamten Woche als Ansprechpartner für die klinischen Kollegen und als Entscheider vor Ort sein müssen. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass Therapieentscheidungen nur in den Tumorboards getroffen werden, dort werden sie zwar abgesegnet und protokolliert, aber natürlich müssen in dringenden Fällen auch unter der Woche Bilder besprochen und Therapiekonzepte entworfen werden“, so Helmberger. Auch mehr Personal hält Helmberger nicht für unbedingt zielführend, weil es an den Tagen ohne Konferenz nicht ausreichend zu tun gibt. Die beste Lösung liege darin, die Basis zu verbreitern und für einen gesunden Mix von erfahrenen und weniger erfahrenen Kollegen zu sorgen. „Wünschenswert sind ein paar mehr Ärzte, die sowohl eine breite radiologische Allgemeinbildung als auch Spezialwissen haben. Aber ihr Einsatz darf wiederum nicht dazu führen, dass Assistenzärzte eingespart werden, weil es dann eines Tages an qualifiziertem Nachwuchs fehlen wird“, resümiert der Radiologe abschließend.

Im Profil:

Prof. Dr. Hermann Helmberger ist Chefarzt der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin im Klinikum Dritter Orden und am Zentrum für Radiologie und Nuklearmedizin Nymphenburg, München. Seine Mediziner-Laufbahn begann Prof. Helmberger 1981 an der Universität Regensburg. Während seiner klinischen Ausbildung am Klinikum rechts der Isar entschied er sich dann für das Wahlfach Radiologie. Seitdem arbeitete er zuerst als Assistenzarzt am Krankenhaus Nymphenburg und dann am Klinikum rechts der Isar. Hier agierte er von 1996 bis 2000 als Oberarzt und später als Leitender Oberarzt und Direktorenvertretung am Institut für Röntgendiagnostik, bevor er seine aktuellen Tätigkeiten aufnahm.

veröffentlicht am Donnerstag, 14. November 2013