INTERVIEW

„KI ist für die Radiologie als Hochleistungsfach ganz essenziell“

Sind Sie Nachwuchswissenschaftlerin oder -wissenschaftler aus dem Bereich Medizin oder Naturwissenschaften und streben auch nach Ihrer Promotion eine wissenschaftliche Karriere an? Dann hält die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit „NAMT-10“ ein attraktives Angebot für Sie bereit. Was genau sich dahinter verbirgt, verrät Ihnen Univ.-Prof. Dr. Ulrike Attenberger in unserem Interview. Professorin Attenberger leitet die Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) und ist die wissenschaftliche Koordinatorin für NAMT-10.

Univ.-Prof. Dr. Ulrike Attenberger leitet die Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am
Universitätsklinikum Bonn (UKB) und ist wissenschaftliche Koordinatorin der Zehnten Nachwuchsakademie der DFG.

Univ.-Prof. Dr. Ulrike Attenberger leitet die Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) und ist wissenschaftliche Koordinatorin der Zehnten Nachwuchsakademie der DFG. © Universitätsklinikum BonnFrau Professorin Attenberger, „Künstliche Intelligenz in der Radiologie“ – so lautet das Motto von NAMT-10, der Zehnten Nachwuchsakademie Medizintechnik der DFG. Weshalb ist das Thema KI für den radiologischen Nachwuchs so wichtig?
KI definiert die nächste technologische Disruption. Wir hatten bereits unterschiedliche technologische Disruptionen in der Geschichte der Radiologie, das begann mit der Erfindung der Röntgenstrahlen, gefolgt von der Einführung der Computertomografie, der MR-Tomografie und so weiter. Die nächste technologische Disruption ist jetzt KI. Künstliche Intelligenz ist gerade deswegen so wichtig für die Radiologie, weil wir uns im Zeitalter der sogenannten Präzisionsmedizin beziehungsweise individualisierten Medizin bewegen. Wir wollen unseren Patientinnen und Patienten eine möglichst schonende, individuell zugeschnittene Therapie anbieten. Voraussetzung dafür ist eine äußerst differenzierte Diagnostik. KI ist da ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Darüber hinaus kann KI aber auch helfen, die Workflows in den radiologischen Departments effizienter zu gestalten, indem sie beispielsweise dabei unterstützt, Bilddaten nach Dringlichkeit zu sortieren. Denn wir erleben derzeit einen dramatischen Zuwachs an Bilddaten und es stellt sich die Frage, wer das alles überhaupt noch befunden soll, zumal uns auf der anderen Seite aufgrund des demografischen Wandels ein Fachkräftemangel droht. Sie sehen: KI ist, aus ganz unterschiedlichen Gründen, für die Medizin, vor allem aber für die Radiologie als Hochleistungsfach essenziell.

Die Förderung des Nachwuchses scheint damit gerade in diesem Bereich essenziell zu sein. Wie verorten Sie hier NAMT-10 beziehungsweise welche Ziele verfolgen Sie genau?
Das Ziel ist ganz klar, das Aufeinandertreffen zwischen Medizin und Informatik respektive Mathematik zu befördern. Über die Nachwuchsakademie sollen Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus beiden Bereichen zusammenkommen, sodass ein interdisziplinäres Netzwerk entsteht, welches die Grundlage für neue Kooperationsmodelle bildet. Erst einmal natürlich für wissenschaftliche Kooperationsmodelle, die aber, jetzt in die weitere Zukunft gedacht, dann eben auch tragfähig sind für die klinische Translation. Und auch hier spielt die Radiologie eine Vorreiterrolle. Wir sind es ja gewohnt, ganz eng mit der medizinischen Physik zusammenzuarbeiten, wenn es beispielsweise um die klinische Evaluation von neuen Bildgebungstechniken geht, und jetzt ist es an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Um KI auch in die Praxis, in die Klinik zu bringen, müssen die beiden Fachgebiete Medizin und Mathematik miteinander sprechen lernen, müssen verstehen: Wo kann man sich aufeinander verlassen? Was sind die jeweiligen Bedürfnisse und Anforderungen? Das ist das eigentlich große, wesentliche Ziel dieser Nachwuchsakademie: zu einer Netzwerkbildung zwischen Medizin und Mathematik anhand von konkreten Forschungsprojekten zu führen.

Das klingt nach einem spannenden Angebot für alle, die sich in diesem Bereich weiterentwickeln möchten. Um nun noch etwas konkreter zu werden: Welche Voraussetzungen müssen interessierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erfüllen und wie können sie sich bewerben?
Die Zielgruppe sind Kolleginnen und Kollegen, die sich in einem frühen Stadium ihrer wissenschaftlichen Karriere bewegen. Wir haben zwar einen Schwerpunkt auf der radiologischen Bildgebung, aber prinzipiell ist diese Nachwuchsakademie offen für die Nuklearmedizin und Strahlentherapie, also unsere Nachbarfächer, wie auch für die digitale Pathologie und alle anderen Bereichen, die im medizinischen Kontext mit Bilddaten zu tun haben, sowie natürlich Computer Science und Biostatistik. Von medizinischer Seite her sollte man am besten schon promoviert sein beziehungsweise kurz vor der Promotion stehen und initiale wissenschaftliche Erfahrungen mitbringen. Vielleicht konnte man auch schon im Rahmen der Weiterbildung an einem ersten Projekt mitarbeiten. Sie sehen also: Man sollte sich in einem ziemlich frühen Stadium seiner wissenschaftlichen Karriere befinden, aber natürlich nicht so früh, dass man nicht schon initiale Erfahrungen in der Wissenschaft machen konnte.

Vorausgesetzt, man erfüllt diese Kriterien: Welche Deadline sollte man sich groß im Kalender eintragen, wenn man sich bewerben möchte?
Die Deadline, die man sich ganz dick in den Kalender für die Einreichung seiner Bewerbungsunterlagen schreiben sollte, ist der 30. Oktober 2021. Bis Dezember 2021 werden wir dann den Bewerberinnen und Bewerbern eine Rückmeldung geben, ob sie teilnehmen können. Ein interdisziplinäres Konsortium begutachtet die Anträge – das ist ganz wichtig. Dazu brauchen wir eine Projektskizze mit maximal vier Seiten, einen aktuellen Lebenslauf, bestehend aus maximal zwei Seiten, und, soweit vorhanden, eine Aufstellung von Publikationen und Konferenzbeiträgen. Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung werden übernommen. Die Eigenbeteiligung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegt bei 100 Euro. Der erste Teil der Nachwuchsakademie findet vom 25. bis 29. April 2022 hier bei uns in Bonn statt, bei dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem erfahren, wie Sie am besten einen DFG-Antrag stellen. Im zweiten Teil der Nachwuchsakademie entwerfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mithilfe ihrer Projektskizze den finalen DFG-Antrag. Dafür wenden Sie das im ersten Akademie-Teil angeeignete Wissen an. Zu NAMT-10 gibt es auch eine Webseite, auf der alle wichtigen Informationen zusammengefasst sind.

Das hört sich nach einem sehr ergebnisorientierten Programm mit Hands-on-Mentalität an.
Das stimmt. Wir haben ein sehr abwechslungsreiches Programm für den ersten Teil der Nachwuchsakademie auf die Beine gestellt: Es wird ein Mix sein aus Hands-on-Hackathons, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits praxisnah mit Daten arbeiten können. Wir haben hier eine enge Kooperation mit dem Computational Imaging Research Lab der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin (Leitung: Prof. Dr. Christian Herold) vom AKH in Wien. Professor Georg Langs, der dem Research Lab vorsteht, wird mit einem Team hierherkommen und die Hackathons unterstützen. Medizinerinnen und Mediziner brauchen nun keine Angst zu haben, sie werden da wirklich herangeführt: Hands-on mit entweder eigenen anonymisierten Daten oder mit Testdaten, die wir zur Verfügung stellen. Darüber hinaus wird der Workshop von Seminaren und Panel Discussions begleitet. Es wird öffentliche Vorträge geben, die auch den Blick über die Medizin hinaus öffnen. In welchen anderen Anwendungsfeldern kommt KI zum Beispiel noch zum Einsatz? Um die Kolleginnen und Kollegen wirklich fit zu machen, den DFG-Antrag zu stellen, gibt es on top extra Vorträge und Seminare, in denen man die Dos und Don’ts lernt, um den DFG-Antrag erfolgreich zu stellen. Es wird also eine wirklich spannende und dick gepackte Woche.

Apropos Dos und Don’ts bei der Antragstellung: Haben Sie vielleicht jetzt schon einen Tipp, worauf die Antragstellenden bei ihren Projektskizzen besonders achten sollten?
Den ultimativen Tipp zu geben, ist natürlich immer etwas schwierig. Aber in diesem speziellen Fall wäre es ganz wichtig, dass die Anträge in einem Couple gestellt werden, also mit Vertreterinnen und Vertretern sowohl aus der Medizin als auch der Mathematik/Informatik. Die interdisziplinäre Projektförderung ist schließlich das Ziel der Nachwuchsakademie. Wichtig dabei ist immer, dass man ein konkretes Ziel hat, welches man mit seinem Forschungsvorhaben umsetzen möchte. Das darf nicht zu diffus sein, gerne herausfordernd, aber es muss umsetzbar sein und die Projektidee sollte deutlich werden. Je konkreter eine Projektidee ist und je detaillierter und nachvollziehbarer die Milestones beschrieben werden können, die zur Umsetzung erforderlich sind, umso erfolgversprechender ist meistens auch der Antrag.

Abschließend die wohl wichtigste Frage: Warum sollten sich Nachwuchswissenschafterinnen und
-wissenschaftler für NAMT-10 bewerben?

Man sollte sich bewerben, weil man durch das in NAMT-10 erlernte Handwerkszeug die Möglichkeit hat, gezielt die nahe Zukunft mitzugestalten, nicht nur in der Radiologie, sondern generell in der Medizin. KI wird in allen Bereichen der Medizin das Top-Thema und ein Sprungbrett für die neusten Entwicklungen sein. Aus ihrer Historie heraus ist die Radiologie seit jeher bei Innovationen immer weit vorne mit dabei. Wer also die Zukunft aktiv mitgestalten möchte, ist herzlich eingeladen und definitiv mit der Nachwuchsakademie an der richtigen Adresse.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Professorin Attenberger!


Alles Wichtige für Sie auf einen Blick:

  • Sie können sich ab sofort für die Zehnte Nachwuchsakademie Medizintechnik der DFG unter dem Motto „Künstliche Intelligenz in der Radiologie“ bewerben.
  • Die Deadline ist der 30. Oktober 2021. Am Ende werden bis zu 20 Personen in die DFG-Akademie aufgenommen.
  • Die Förderungsdauer beläuft sich auf ein Jahr.
  • Voraussetzung für Ihre Bewerbung ist, dass Sie eine abgeschlossene wissenschaftliche Ausbildung durchlaufen und vor Kurzem promoviert haben. Darüber hinaus sollte der finanzielle Umfang Ihres Projekts nicht mehr als 50.000 Euro umfassen.
  • Weiterführende Informationen erhalten Sie auf der Webseite des Universitätsklinikums Bonn (UKB).