Interview

ECR 2018: Diverse & United

Der European Congress of Radiology (ECR) 2018 steht unter dem Motto "Diverse & United" und findet vom 28. Februar bis 4. März in Wien statt. Kongresspräsident Prof. Bernd Hamm aus Berlin spricht im Interview über Highlights und Neuigkeiten auf dem größten europäischen Kongress der Radiologie und über Gemeinsamkeiten zum Deutschen Röntgenkongress (RöKo).

Herr Professor Hamm, seit vielen Jahren besuchen Sie regelmäßig sowohl den European Congress of Radiology in Wien, als auch den Deutschen Röntgenkongress, der in verschiedenen Städten stattfand, seit 2016 nun in Leipzig. Darüber hinaus waren Sie Kongresspräsident des ECR 2015 und sind jetzt als ESR Präsident verantwortlich für den ECR 2018. Wo sehen Sie aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung die größten Gemeinsamkeiten zwischen ECR und RöKo?

Bernd Hamm: Beide Kongresse zeichnen sich durch ein hohes Engagement der Teilnehmer aus, ein großes Interesse an den vielfältigen Fortbildungsveranstaltungen und am wissenschaftlichen Austausch. Letztendlich steht sowohl beim Deutschen Röntgenkongress als auch beim European Congress of Radiology die Kommunikation und der Austausch von neuen Erkenntnissen zwischen den Kolleginnen und Kollegen im Mittelpunkt. Gleichzeitig freut man sich, Freunde und Kollegen zu treffen mit einem mehr nationalen Schwerpunkt auf dem RöKo und einem internationalen Schwerpunkt auf dem ECR.

Deutsche Radiologinnen und Radiologen stellen traditionell einen recht hohen Prozentsatz an ECR Besuchern, sie sind immer unter den Top drei zu finden. Was meinen Sie, wie kann man den ECR noch attraktiver für deutsche Radiologinnen und Radiologen gestalten, damit das auch weiterhin so bleibt?

Zunächst können wir uns freuen, dass die Teilnahme deutscher Radiologinnen und Radiologen auf dem ECR eine hohe Konstanz aufweist, welches die Attraktivität des ECR in Deutschland belegt. Ich sehe auch keineswegs einen Entscheidungskonflikt, ob man zum RöKo oder ECR fährt, denn der eine Kongress bewegt sich mehr auf nationaler Ebene und der andere Kongress auf internationaler Ebene. Meine jüngeren Kolleginnen und Kollegen überlegen sich vielmehr, ob sie noch regelmäßig Abstracts beim RSNA einreichen oder nicht sich mehr auf den ECR konzentrieren, der inzwischen ein durchaus vergleichbares Qualitätsniveau sowohl bei den klar strukturierten Fortbildungsveranstaltungen als auch den wissenschaftlichen Sitzungen erreicht hat und darüber hinaus immer wieder neue interessante Komponenten der Kommunikation und Wissensvermittlung einführt. Ganz abgesehen von dem sehr innovativen und modernen Design des ECR und dem von vielen Teilnehmern sehr geschätzten europäischen Networking.

Auch bei der Einreichung und Annahme von wissenschaftlichen Abstracts sind Beiträge aus Deutschland immer stark vertreten.

Ja, das ist sehr erfreulich und spricht für unser Engagement und belegt ein gutes Qualitätsniveau im internationalen Vergleich. Gleichzeitig möchte ich empfehlen, sich immer wieder über neue Präsentationsformen, wie z.B. ‚Voice of EPOS‘, eine Plattform für Poster-Autoren, um ihr Poster persönlich zu präsentieren, oder ganz neu für den ECR 2018 ‚My Thesis in 3 Minutes – MyT3‘ auf der Homepage der ESR zu informieren. Für Radiologinnen und Radiologen in Ausbildung ist das ‚Invest in the Youth‘ Programm ganz besonders interessant. Die ESR vergibt 1.000 Plätze an junge ESR Mitglieder, die ein Abstract einreichen; erfolgreiche Bewerber bekommen die Registrierung zum Kongress gratis und ebenso bis zu vier Nächte im Hotel. Ich bin davon überzeugt, dass es für jeden eine passende und interessante Präsentationsmöglichkeit gibt.

Die DRG lädt seit mehreren Jahren auch die Medizinisch-Technischen Radiologie-AssistentInnen zu ihrem Kongress. Auch der ECR hat in den letzten Jahren sein Angebot für Radiographers ausgebaut. Sehen Sie hier auch noch Potential für den ECR?

Ich sehe sogar eine Verpflichtung, dass wir uns hier stärker engagieren, wesentliche Schritte haben wir bereits gesetzt. In der täglichen Routinearbeit der Radiologie ist Teamwork essenziell, und das schließt natürlich auch und gerade die MTRAs ein. Wir werden am ECR auch in Zukunft mehr und mehr Augenmerk auf die Bedürfnisse und Wünsche der ‚Radiographers‘ (so der international gebräuchliche Terminus) legen. Diesbezüglich arbeiten wir eng mit der European Federation of Radiographer Societies (EFRS) und verschiedenen nationalen Radiographer Gesellschaften aus ganz Europa zusammen, um diesen Teil des Programms ganz an deren spezifischen Interessen auszurichten. Da für viele Radiographers die Sprache ein Haupthindernis darstellt, um den ECR, dessen Vorträge ja auf Englisch gehalten werden, zu besuchen, werden wir 2018 wieder einen Großteil des Programms in Simultanübersetzung in verschiedene Sprachen, darunter auch Deutsch, anbieten.
Außerdem haben wir ein Förderprogramm speziell für Radiographers ins Leben gerufen: ‚Shape your Skills‘ unterstützt 500 Radiographers, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen, und bietet ihnen Gratisregistratur zum ECR 2018 und zwei Nächte in einem Hotel.

Die ESR und die DRG arbeiten traditionell gut zusammen. Gibt es anlässlich des ECR 2018 besondere Kooperationen?

Ich freue mich sehr, dass wir für den ECR 2018 einige sehr schöne Kooperationsmöglichkeiten zwischen der DRG und der ESR gefunden haben. Abgesehen von einem Gratis-Stand für die DRG am ECR und diversen Promotion-Maßnahmen, haben wir gemeinsam eine Aktion geplant, die ganz auf junge Radiologinnen und Radiologen in Ausbildung zugeschnitten ist. Im Rahmen des bereits oben erwähnten ‚Invest in the Youth‘ Programms werden 100 Plätze gezielt deutschen Bewerberinnen und Bewerbern zur Verfügung gestellt, denen sowohl die Teilnahme am ECR 2018 durch die ESR als auch am RöKo 2018 durch die DRG ermöglicht wird. Für junge Kolleginnen und Kollegen am Beginn ihrer Karriere bietet dies eine einmalige Möglichkeit, auf beiden Kongressen ihre Forschungsarbeiten vor großem Fach-Publikum zu präsentieren.

Der ECR 2018 findet vom 28. Februar bis 4. März in Wien statt. Welche Höhepunkte möchten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen empfehlen?

Zu den derzeitigen ‚Hot Topics‘ in der Radiologie, und damit auch am ECR, zählen sicherlich ‚Big Data‘, die Chancen und Risiken im Umgang mit immer größeren Datenmengen und Datenvielfalt, Künstliche Intelligenz und Radiomics. Dies sind wahrlich aufregende Themen, mit denen wir uns in der nahen Zukunft beschäftigen müssen, um die Möglichkeiten dieser Entwicklungen in Bezug auf Qualitätssteigerung in unserer Arbeit und bei der Betreuung der Patienten zu erkennen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Radiologen immer eine zentrale Rolle spielen werden, sowohl im diagnostischen als auch im interventionellen Bereich des therapeutischen Patientenmanagements. Ich glaube auch daran, dass unsere Disziplin von diesen Entwicklungen profitieren wird. Innovationen bedeuten Fortschritt; zu diesen Innovationen zählt auch die Hybridbildgebung, ein weiterer Schwerpunkt am ECR 2018. Ein weiteres ECR-Format, das immer mehr an Bedeutung gewinnt und das ich meinen Kollegen sehr ans Herz legen möchte, sind die ‘Clinical Trials in Radiology’ Sessions. Sie bieten eine Plattform, um die neuesten Prospektivstudien und Ergebnisse von multizentrischen Untersuchungen zu präsentieren. Diese Vorträge sind ein großer Gewinn in Zeiten der evidenz-basierten Medizin im Bereich der Radiologie. Darüber hinaus hoffe ich natürlich, dass der ECR auch für seine großartige Eröffnungsfeier, die Honorary Lectures und seine gesellschaftlichen Veranstaltungen in Erinnerung bleiben wird, und vor allem für sein besonderes Ambiente der Freundschaft und Weltoffenheit. Die Essenz des ECR war und ist, ein Forum zu sein, bei dem die Präsentation von hochqualitativem Inhalt in Wissenschaft und Lehre Hand in Hand geht mit der Anbahnung und Förderung von professionellen Kontakten, mit klassischem Networking und der Entstehung neuer Freundschaften.

Der ECR ist bekannt als besonders innovativer Kongress, der immer wieder mit neuen Ideen aufhorchen lässt. Was wird denn am ECR 2018 Neues, Ungewöhnliches geboten werden?

Der ECR hat eine weltweite Reputation, sich neuen Herausforderungen zu stellen und Innovationen gegenüber nicht nur offen zu sein, sondern sie gezielt zu forcieren. Wir haben zum Beispiel schon vor Jahren begonnen, die Vorträge in einem Livestream zu präsentieren; mittlerweile werden sämtliche Vorträge nicht nur live übertragen, sondern stehen darüber hinaus auch nach dem ECR als ‚ECR Online‘ bis zum folgenden Kongress für 12 Monate zur Verfügung. Bereits während des ECR 2017 haben fast 6.000 Personen am Kongress aus der Ferne teilgenommen. Für den ECR 2018 bieten wir den Kolleginnen und Kollegen aus China eine ganz besondere Attraktion, in dem 50 ausgewiesene Wissenschaftler aus verschiedenen Provinzen Chinas zum ECR nach Wien kommen und 500 ausgewählte Vorträge ins Mandarin übersetzen. Diese Vorträge (mit Mandarin-Untertiteln) werden über ECR Online nach dem Kongress on demand in China verfügbar sein. Das wird dem ECR eine weitere besondere globale Präsenz verschaffen. Ich bin schon sehr gespannt auf diese neue Aktion und freue mich auf das Feedback. Es ist und bleibt ein Ziel, den ECR noch mehr Kolleginnen und Kollegen zugänglich zu machen und so die internationale Zusammenarbeit zu fördern. Weitere neue Ideen, die ich unbedingt hervorheben möchte, betreffen neue Session-Formate. Wir werden am ECR 2018 jungen Kolleginnen und Kollegen erstmals die Möglichkeit bieten, ihre Doktorarbeit zu präsentieren. Unter dem Titel ‚My Thesis in 3 Minutes‘ können diese Arbeiten einem internationalen Forum prägnant in drei Minuten vorgestellt werden. Alle Kolleginnen und Kollegen, die sich zu einer präzisen und aussagekräftigen Ausführung berufen fühlen, sind hiermit aufgerufen, sich dafür zu bewerben! Wir haben extra dafür einen spektakulären neuen Raum angemietet, die ‚Sky High Stage‘ im obersten Stockwerk des Saturn Towers (neben dem Austria Center), aus dem man aus 90 Metern Höhe zusätzlich einen wunderbaren Blick auf Wien genießen kann. ‚Coffee & Talk’ Sessions sind ein weiteres neues Format. Hier finden Kurzvorträge und Diskussionen zu Themen wie Strahlenschutz, Imaging Biobanks, Clinical Decision Support, Herausforderungen für Abteilungsleiter und Radiologie als Lehrfach im Medizinstudium in entspannter Atmosphäre in einer der wunderschönen Lounges im Austria Center statt. Alle Kongressteilnehmer sind eingeladen, sich bei Kaffee oder Tee an den Diskussionen zu beteiligen. Besonders gespannt bin ich auch auf unser neues Projekt ‚Interventional Radiology at the Cube‘, wofür der ECR Räumlichkeiten im Souterrain eines nahegelegenen Sakralbaus anmietet, ein zeitgenössisches architektonisches Schmuckstück in Form eines Quaders aus dunklem Chromstahl, daher auch die Bezeichnung ‚the Cube‘. Das dort stattfindende Programm richtet sich in erster Linie an junge Radiologinnen und Radiologen, die sich erstmals mit der Interventionsradiologie auseinandersetzen wollen, sowie Radiologen, die Weiterbildung in IR für ihren klinischen Alltag benötigen. Die Vorträge und Hands-on-Workshops sind ganz auf Interaktion mit den Teilnehmern ausgerichtet, der klinische Alltag wird simuliert und praxisrelevante Inhalte stehen im Vordergrund.

Als Motto für den ECR 2018 haben Sie ‚Diverse & United’ gewählt. Könnten Sie uns kurz erklären, was Sie damit ausdrücken möchten?

Radiologie ist so eine vielseitige Disziplin und umfasst alles von immer präziseren Diagnose-Möglichkeiten bis zu bildgebungs-gesteuerten minimal-invasiven Behandlungsmethoden. Unsere Disziplin bietet etwas für uns alle und ebenso für zukünftige Generationen von Ärzten, MTRA und Studierende. Es ist wie bei einem Mosaik, die Verbindung aller Einzelteile ergibt erst ein gelungenes Gesamtbild. Mit dieser Metapher möchte ich meinem Wunsch und meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass trotz so verschiedenartiger, interessanter Facetten und Subspezialitäten, sich alle Radiologinnen und Radiologen als Gemeinschaft empfinden und gemeinsam daran arbeiten, unsere Disziplin zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten zu stärken und auszubauen.

veröffentlicht am Donnerstag, 10. August 2017