Literatur

Traum oder Albtraum?

Wie aus einer Chefarztposition ein Traumjob wird bzw. diese Position erst gar nicht albtraumhafte Züge annehmen kann, steht im Mittelpunkt einer aktuellen Publikation, die erstmalig alle wesentlichen medizinischen, rechtlichen und ökonomischen Themen zusammenführt, die Relevanz haben für den Klinikalltag eines Chefarztes. Zu den Autoren zählt auch Jens Hollmann, Seminarleiter der Röntgen Akademie für Führungskräfte in der Radiologie.

Chefarzt: Es gibt nicht viele Berufsbezeichnungen, die derart unverstellt Bedeutung und Tragweite einer Führungsposition semantisch auf den Punkt bringen. Das mag ein Grund sein dafür, dass der Chefarzt bis heute in weiten Bevölkerungskreisen hoch angesehen ist. Und nach wie vor verspüren viele angehende Mediziner den Drang, irgendwann einmal in ihrem Berufsleben Chefarzt zu sein, weil sie damit jemanden verbinden, der sein eigener Herr sein darf, mit vollumfänglicher Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnis, fast nur noch sich selbst gegenüber in der Verantwortung stehend.

Wer hoch aufsteigt, der kann auch tief fallen. Eine Binsenweisheit, die – gewissermaßen als Berufsrisiko – auch alle aufstrebenden Mediziner von Anfang an begleitet. Bei Chefärzten mag dieses Risiko vielleicht noch höher sein als bei anderen Leitungsfunktionen. Schließlich haben sie es in einer sich dramatisch verändernden Krankenhauslandschaft mit einer steten Zunahme an Anforderungen zu tun, die mittlerweile weit über die fachliche Ebene hinausreichen und insbesondere die wirtschaftliche Dimension der medizinischen Versorgungsleistung in den Vordergrund rücken. Nicht immer sind sie darauf gut vorbereitet, was auch darin begründet sein mag, das die medizinische Aus- und Weiterbildung gerade die Bereiche, die mit den originären Aufgaben eines Arztes nichts zu tun haben, aber massiv an Bedeutung gewinnen, nicht adäquat abdeckt.

Traumjob oder Albtraum – diese Frage mag sich deshalb manch einer im Rahmen seiner persönlichen Karriereplanung oder aber in Ausübung einer Chefarzttätigkeit bereits gestellt haben. Fakt ist, dass es mittlerweile vielerorts für die Besetzung einer Chefarztposition an qualifizierten Bewerbern mangelt.

Ulrich Deichert, Wolfgang Höppner und Joachim Steller haben nicht zuletzt deshalb einen Rat- und Perspektivgeber herausgegeben, der – das kann man bereits zusammenfassend vorwegnehmen – zweierlei erreicht. Zum einen ist den Herausgebern gelungen, ein kompetentes und konsequent an der Praxis ausgerichtetes Kompendium auf den Markt zu bringen, das Wege aufzeigt, wie auch heute die Chefarztposition als Traumjob funktionieren kann. Zum anderen ermöglicht das Buch all jenen, die sich für das deutsche Gesundheitssystem interessieren, einen vielschichtigen Blick hinter die Kulissen. Erstmalig werden hier alle wesentlichen medizinischen, rechtlichen und ökonomischen Themen, die Relevanz haben für den Klinikalltag eines Chefarztes, zusammengeführt und zwar aus Sicht von Chefärzten, von Verwaltung und Geschäftsführung, von Ethik und Moral und aus Sicht von Beratern. Der letzte Buchabschnitt schließlich widmet sich der Zukunft unserer Gesundheitsversorgung.

Zu den zahlreichen hier versammelten Fachautoren zählt auch Jens Hollmann, Seminarleiter der Röntgen Akademie für Führungskräfte in der Radiologie. Der erfahrene Berater in der Gesundheitswirtschaft, der insbesondere Chef- und Oberärzte zum Themenfeld erfolgreiche Führung begleitet, behandelt insgesamt drei Themen, die gleichermaßen essentiell sind.

Unter dem Titel „Kurswechsel – Nur ein Anfangszauber? Chancen und Risiken des Change“ skizziert er zusammen mit Adam Sobanski wesentliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen, weil nachhaltigen Kurswechsel. Dabei stellt er nicht nur die Grundstruktur, die Anatomie eines Change vor, sondern gibt auch wichtige Hinweise, wie ein Veränderungsprozess entlang seiner Phasen so geführt werden kann, dass er auch zu dem gewünschten Ergebnis führt. Die beiden Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf das ihrer Ansicht nach notwendige Maß an Einfühlungsvermögen bzw. den sogenannten sozialen Minimumfaktor gegenüber der eigenen Belegschaft, die als tragende Säule jeglicher Veränderung verstanden wird.

Wie man auch in schwierigen Situationen wie beispielsweise einem Veränderungsprozess seine Gelassenheit bewahren kann, steht im Mittelpunkt des Beitrags „Wie findet der Chefarzt sein Glück? Wege aus dem Stress und zur Leistungsbalance“ von Jens Hollmann und Angela Geissler. Im Mittelpunkt der hier vorgestellten Denk- und Handlungsansätze, die dabei helfen können, belastende Situationen aufzulösen, stehen das eigene Bewusstsein von Zeit und ihr pragmatisches Management. Dargestellt werden unter anderem das Pareto- sowie das Eisenhower-Prinzip, bei denen es wesentlich darum geht, Wichtiges von weniger Wichtigem, Dringliches von weniger Dringlichem zu unterscheiden. Außerdem werden Bewältigungsstrategien („Coping“) skizziert, die dabei unterstützen, mit stressbelasteten Situationen umzugehen. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Emotionsregulierung, d. h. die Frage, wie man in einer belastenden Situation mit seinen Gefühlen umgeht bzw. diese so steuert, dass sie dabei helfen, mit einer Situation gelassener umzugehen. Sehr konkret wird es beim Thema Resilienz und den Formen, die eigene Widerstandsfähigkeit erfolgreich zu trainieren. Die Möglichkeiten reichen dabei von körperlicher Bewegung, der strategischen Überprüfung von eigenen Zielformulierungen bis zu verschiedenen Meditationstechniken.

Welche Folgen der staatliche Rückzug aus der Gesundheitsversorgung hat, ist Thema des Aufsatzes „Trendwende im Gesundheitswesen? Die Daseinsvorsorge macht das Gesundheitswesen zukunftssicher“ von Jens Hollmann und Birgit Schröder. Die Autoren erinnern an die staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und appellieren an Staat und Bürger, sich nicht zum Spielball der Gewinnmaximierung zu machen. In diesem Zusammenhang fehlt natürlich nicht der Hinweis, dass die diagnostizierte „Verbetriebswirtschaftlichung“ des Gesundheitswesens auch ihren Niederschlag findet in den aktuellen Chefarztverträgen, z. B. in Form von schriftlich fixierten Regressmöglichkeiten bei Unwirtschaftlichkeit seitens der Klinikträger.

Traumjob oder Albtraum? Eine allgemeingültige Antwort darauf findet man in dem Rat- und Perspektivgeber nicht, wohl aber Mittel und Wege, wie man albtraumhaften Vorstellungen und Situationen erfolgreich begegnen und aus der eigenen Chefarztposition das bestmögliche für sich, die eigene Abteilung, den Träger und nicht zuletzt den Patienten herausholen kann.

Ulrich Deichert, Wolfgang Höppner, Joachim Steller (Hg.), Traumjob oder Albtraum – Chefarzt m/w. Ein Rat- und Perspektivgeber, Springer-Verlag Berlin/Heidelberg 2016




veröffentlicht am Montag, 3. April 2017