INTERVIEW

„Die vergessenen Gelenke“: Neue Protokollempfehlungen für Finger-, Fuß- und Kiefergelenke

Um Untersuchungen der kleinen Gelenke künftig besser planen zu können und die bestmöglichen Untersuchungsergebnisse zu erzielen, hat die AG Bildgebende Verfahren des Bewegungsapparates (AG BVB) der Deutschen Röntgengesellschaft e.V. (DRG) neue Protokollempfehlungen entwickelt. Im Interview erläutert Dr. Christoph Rehnitz, Universitätsklinikum Heidelberg, die Vorteile und Merkmale der Messsequenzen für Finger-, Fuß- und Kiefergelenke.

_Herr Dr. Rehnitz, die AG BVB hat bereits im Januar 2018 Protokollempfehlungen für Gelenk-MRT herausgegeben. Warum haben Sie nun speziell für die kleineren Gelenke Messsequenz-Empfehlungen entwickelt?

Dr. Christoph Rehnitz, Universitätsklinikum HeidelbergDr. Christoph Rehnitz, Universitätsklinikum HeidelbergWir haben spezielle Protokollempfehlungen für die kleinen Gelenke, also Finger-, Fuß- und Kiefergelenk entwickelt, da sich die für die übrigen Gelenke ausgesprochenen Empfehlungen nicht einfach auf diese Gelenke und Regionen übertragen lassen. Um sie gut zu untersuchen und die oftmals subtilen Pathologien an den kleinen anatomischen Strukturen sichtbar zu machen, hilft eine bestmögliche Untersuchungsplanung anhand der Anatomie und der Fragestellung. Zudem haben sich manche Sequenzen in bestimmten Raumorientierungen für die einzelnen Regionen als besonders hilfreich erwiesen. Auch innerhalb der Region, beispielsweise an den Fingern mit Besonderheiten am Daumen, sind teils unterschiedliche Planungen sinnvoll und manchmal auch essentiell, um Pathologien sicher zu detektieren. Oft herrscht eine gewisse Unsicherheit in der Planung und Durchführung der Untersuchung. Nicht zu Unrecht spricht man auch von den „vergessenen“ Gelenken. Entsprechende Untersuchungen werden in der Routine verhältnismäßig selten durchgeführt und auch auf Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen werden sie seltener thematisiert. Das Hauptaugenmerk der Empfehlungen liegt daher in sehr konkreten Tipps hinsichtlich Planung, Lagerung, Untersuchungstechnik, Spulen- und Sequenzwahl. Wir haben jeweils ein schlankes Basisprotokoll aufgeführt, mit wenigen Empfehlungen für Zusatzsequenzen bzw. Raumorientierungen. Im Prinzip können die Sequenzempfehlungen je nach persönlicher Erfahrung bzw. konkreter Problemstellung ergänzt oder abgeändert werden. Wenn aber die vorgeschlagenen Protokolle verwendet werden, ist eine hochwertige Untersuchung der jeweiligen Region gewährleistet.

_Die MRT ist besonders sensitiv, wenn es um die Entdeckung von Verletzungen von Bändern und Knorpeln oder entzündlichen Veränderungen geht. Welche Indikationen lassen sich mit den Messsequenzen untersuchen?

Die Protokolle haben wir so konzipiert, dass sich hiermit ein sehr breites Indikationsspektrum untersuchen lässt. Dies beinhaltet traumatische und nicht traumatische Pathologien von Bändern, Sehnen, Muskeln, des Knorpels sowie der knöchernen Strukturen. Daneben können auch entzündliche und tumoröse Veränderungen untersucht werden, hier sind für die Finger und den Fuß jeweils ergänzende kontrastverstärkte Sequenzen aufgeführt. Das Untersuchungsprotokoll des Kiefergelenks deckt die häufige Fragestellung der Abklärung des Discus articularis bei Kieferschmerzen ab.

_Wie berücksichtigen die Empfehlungen unterschiedliche Geräteausstattungen in den verschiedenen Praxen und Kliniken?

Alle Empfehlungen sind unabhängig von Hersteller oder Geräteausstattung. Sie lassen sich daher auf alle modernen MRT-Geräte übertragen. Es sind zudem mehrere Spulen genannt, die je nach konkreter Verfügbarkeit sinnvoll eingesetzt werden können. Alle Hersteller halten Sequenzvarianten zu den beschriebenen Sequenzempfehlungen bereit. Wir haben hier auch bewusst auf sehr spezielle Untersuchungsprotokolle und Sequenzen, die nur in wenigen Fragestellungen zu Anwendung kommen und in der Breite – noch – nicht eingesetzt werden, verzichtet.

_Nun müssen die Empfehlungen noch in die tägliche Routine einfließen. Haben Sie Tipps, wie das gut gelingen kann?

Das Hauptaugenmerk haben wir auf Einfachheit und Umsetzbarkeit in der Breite verbunden mit vielen praktischen Tipps gelegt. Es soll daher eine Anregung für Kollegen in Klinik und Praxis sein, die Protokolle „nachzukochen“. Man kann sich sicherlich auch nur einzelne Empfehlungen herauspicken und diese in bereits bestehende Protokolle integrieren oder zur Optimierung des Untersuchungsablaufs nutzen. Da die Protokolle auch auf der Homepage der AG BVB der DRG hinterlegt sind, sind sie jederzeit abrufbar und können auch kurz vor oder während einer Untersuchung noch als Grundlage eingesehen werden. Wir werden natürlich auch auf den Fortbildungsveranstaltungen der AG immer wieder auf sie hinweisen. Da auch internationale Protokollempfehlungen berücksichtigt sind, steht einer weiten Verbreitung nichts im Wege.

Vielen Dank für das Gespräch!