INTERVIEW

KI in der Radiologie: Zwischen Fortschritt und Praxis – Einblicke vom RACOON-Netzwerk

Am 5. Und 6. September 2024 fand in Frankfurt a.M. das Symposium „KI und Interdisziplinäre Forschung in der Medizin“ statt. Das Symposium beleuchtete aktuelle Fortschritte in der KI-Anwendung im medizinischen Bereich, mit Fokus auf interdisziplinäre Forschung. RACOON, Teil des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM), bietet eine Infrastruktur für radiologische Bilddatenanalyse und KI-Forschung. Es richtet sich sowohl an Projektbeteiligte als auch an ein breiteres Publikum, um den Austausch über KI in der Medizin zu fördern. Wir sprachen hierzu mit Prof. Dr. Thomas Vogl, Prof. Dr. Tobias Penzkofer und Dr. Andreas Bucher.

Herr Professor Vogl, Können Sie uns einen Überblick geben, wo die Radiologie aktuell in Deutschland im Hinblick auf KI steht?

Prof. Vogl: Das RACOON-Netzwerk entstand ursprünglich aus der Notwendigkeit, sich schnell über neue Entwicklungen in der Bildgebung auszutauschen – insbesondere während der Pandemie. Dank des Netzwerkes Universitätsmedizin (NUM) konnte eine Forschungsstruktur aufgebaut werden, die uns nun auch im Bereich KI weiterbringt. KI wird bei RACOON nicht als Selbstzweck gesehen, sondern als Werkzeug, um die Forschung und die Versorgung der Patienten zu verbessern.

Herr Professor Penzkofer, wie bewerten Sie den aktuellen Stand von KI in der Radiologie und ihren Nutzen für die Patienten?

Prof. Penzkofer: Als KI um 2014/15 in der Medizin aufkam, war die Radiologie schnell als ein ideales Anwendungsfeld erkannt. Es folgte eine Phase des Hypes, aber heute sind wir in einer Konsolidierungsphase, in der wir realistisch bewerten, welche Anwendungen tatsächlich einen Mehrwert bieten. Die Radiologie ist nach wie vor führend, was zugelassene KI-Anwendungen in der Medizin betrifft. Viele dieser Anwendungen sind heute bereits routinemäßig im Einsatz.

Würden Sie bitte konkrete Beispiele nennen?

Prof. Penzkofer: Sehr erfolgreich sind beispielsweise Rekonstruktionsalgorithmen, die die Dauer von MRT-Untersuchungen erheblich verkürzt haben. Es gibt auch diagnostische Unterstützungssysteme, die in der Radiologie bereits solide Arbeit leisten. Zwar ersetzen diese Algorithmen nicht den ärztlichen Befund, sie sind jedoch eine wertvolle Hilfe.

Dr. Bucher: Wir haben auf dem Symposium verschiedene Beispiele gesehen, wo KI-Anwendungen das Potenzial haben, einen Mehrwert in der Gesundheitsversorgung zu liefern. Neben den Bereichen der Effizienzsteigerung in der Datenerhebung können durch KI-gestützte Diagnostik zusätzliche Informationen erhoben werden, die manuell nicht kosteneffizient erhoben werden könnten. So können Routineuntersuchungen durch automatisierte Analysen der Körperzusammensetzung angereichert werden, um Risikoprofile der Patient:Innen zu bestimmen. Ein weiteres Beispiel für diagnostische Unterstützung, die unmittelbar an Relevanz gewinnen wird, ist die Vermessung von Lungenrundherden und deren Vergleich in der Verlaufsbildgebung beim Lungenkrebs-Screening. Hier kann KI helfen, Rundherde zu zählen und Volumenänderungen zu erfassen. Solche Aufgaben sind zeitaufwändig und prädestiniert für den Einsatz von KI.

KI scheint eine enorme Datenmenge zu verarbeiten. Was sind die größten Herausforderungen bei der Implementierung?

Prof. Vogl: Eine wesentliche Herausforderung ist, dass KI von vielen als Möglichkeit gesehen wird, Personal einzusparen. Doch KI ist ein Unterstützungstool – sie wird den Radiologen nicht ersetzen. Die KI kann anatomische Strukturen perfekt erkennen, aber die Interpretation einer Pathologie wird weiterhin von einem Menschen vorgenommen. Langfristig wird KI jedoch auch in der Lage sein, durch den Vergleich mit großen Datenbanken ähnliche Fälle zu identifizieren und Diagnosen vorzuschlagen.

Prof. Penzkofer: In der Praxis müssen Krankenhäuser vor allem evaluieren, ob sich KI lohnt – sowohl qualitativ als auch finanziell. Zudem muss KI in bestehende Systeme integriert werden. Hier ist die Frage, ob diese Systeme langfristig funktionsfähig bleiben, entscheidend.

Wie steht es um die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten gegenüber KI?

Prof. Penzkofer: Solange Technologien gut funktionieren, ist deren Akzeptanz in der Regel hoch.. So wird es auch bei KI sein, wenn der Mehrwert klar ist, wird der Einsatz meiner Einschätzung nach sogar von Kostenträgern und Patient:innen gefordert werden.

RACOON

Was sind die nächsten Schritte im RACOON-Netzwerk?

Dr. Bucher: Ziel ist es nun, mit der Bildgebungsplattform RACOON die Schnittstellen zu anderen Infrastrukturkomponenten im NUM zu schließen, um es den Forschern in Verbundprojekten zu erleichtern, Daten aus unterschiedlichen Quellen gemeinsam mit radiologischen Bilddaten auszuwerten.

Herr Professor Vogl, wird das Netzwerk auch international erweitert?

Prof. Vogl: RACOON hat bereits gute Kontakte zu Universitäten in Österreich und der Schweiz. Eine Ausdehnung auf die europäische Ebene wäre wünschenswert, allerdings stellen der Datenschutz und unterschiedliche regulatorische Anforderungen Herausforderungen dar. Dennoch zeigt RACOON, dass eine Zusammenarbeit möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

veröffentlicht am Montag, 30. September 2024