Historie und Visionen der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie Jena GPR 26.09.2013

Ich möchte die gegenwärtige Situation der Kinderradiologie in Deutschland mit wenigen Zahlen darstellen.

  • 2012 wurden in Deutschland 673.570 Kinder geboren.              
  • Es leben in Deutschland – gleichstarke Jahrgänge bis zum 18.Lebensjahr angenommen – über 12 Millionen Kinder und Jugendliche (bei einer Bevölkerungszahl von knapp 82 Millionen im Jahre 2011; statistisches Bundesamt 2013).
  • Mehr als jeder 7. Bürger der Bundesrepublik ist ein Kind.
  • Für 70 Millionen Erwachsene stehen 6000 Radiologen bereit,
  • für 12 Millionen Kinder 80 Kinderradiologen.

Führen wir, trotz einer sehr schwieriger Datenlage, eine einfache Rechnung durch, so stehen für

  • 11.000 Erwachsene 1 Radiologe/in  (11.085) und für
  • 150.000 Kinder 1 Kinderradiologe/in zur Verfügung.

 Dies ist, auch wenn man die Vereinfachung der Betrachtung in Rechnung stellt, alles andere als eine ausreichende oder gar flächendeckende radiologische Versorgung der Kinder.

 Es sind die Fragen zu stellen und zu beantworten:

1. Brauchen wir überhaupt kinderradiologisch weitergebildete Ärztinnen und Ärzte?
2. Brauchen wir spezielle Strukturen in der Kinderradiologie?
3.Brauchen wir wissenschaftliche Einheiten in der Kinderradiologie?
Und wenn wir die drei Fragen mit ja beantworten:
4. Wie soll die Zukunft der Kinderradiologie aussehen?

Frage 1: Brauchen wir Kinderradiologinnen und Kinderradiologen?

 Niemand bezweifelt heute, dass für eine adäquate ärztliche Versorgung der Kinder der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin unabdingbar ist.

 Wichtige Gründe für diese Spezialität sind die Krankheiten, die zum Zeitpunkt der Geburt vorhanden sind: Z.B. Herzfehler, Trisomie 21 oder Phenylketonurie.

  • Krankheiten, die als Störung der Entwicklung auftreten: z.B. Kleinwuchs.
  • Krankheiten, die während der Entwicklung des Kindes anders verlaufen als beim Erwachsenen: z.B. Nierenkrebs, der sogenannte Wilmstumor und
  • Erkrankungen, die ausschließlich in der Kindheit auftreten: z.B. die Kindesmisshandlung 

Diese anderen oder anders verlaufenden Krankheiten – und dies ist beim Wilmstumor und bei der Kindesmisshandlung besonders eindeutig – sind dem Allgemeinradiologen nicht oder nicht ausreichend geläufig.

Hinzu kommt, dass die bildgebenden Untersuchungen, Ultraschall, MagnetResonanz-Tomomographie, ComputerTomographie und Röntgen durch ihre physikalischen Gegebenheiten für unterschiedliche Körperdimensionen, heißt unterschiedliche Altersklassen, unterschiedlich eingesetzt werden müssen.

Ein zentraler Punkt ist der Strahlenschutz: Hohe Zellteilungsrate, höheres individuelles Risiko eine strahleninduzierte bösartige Erkrankung zu erleiden und das genetische Risiko für die nächsten Generationen fordern bei Kindern und Jugendlichen einen besonders intensiven Strahlenschutz.

Es bedarf also nachvollziehbar und unbedingt eines speziellen Trainings für die bildgebende Versorgung der Kinder.

Frage 2: Brauchen wir spezielle Strukturen in der Kinderradiologie? 

Neben einer anderen apparativen Ausrüstung differieren Untersuchungsvorbereitung und Untersuchungsdurchführung erheblich von der des Erwachsenen. Es ist oft zeitaufwändig, für die MRT-Untersuchung das Kind zu beruhigen: z.B. durch Stillen die Schlafzeit des Säuglings für die Untersuchung zu nutzen. Da diese Zeit beim Allgemeinradiologen nicht vorhanden ist, werden Kinder unnötigerweise medikamentös beruhigt oder in Kurznarkose versetzt. Geschieht dies nicht, ist das Untersuchungsergebnis oft durch Bewegung des Kindes schlecht.

Der wesentlichste Punkt ist jedoch die Differenz der Untersuchungsdurchführung einschließlich des differenzierten Strahlenschutzes.

Wir brauchen eine spezielle Organisationsstruktur für die bildgebenden Untersuchungen von Kindern.

Frage 3: Brauchen wir kinderradiologische Abteilungen an den Universitäten?

Die medizinischen Fakultäten sind Träger von Forschung und Lehre in der Medizin. Wie soll dies für den Schwerpunkt Kinderradiologie, für einen Schwerpunkt, der jeden 7. Bürger versorgen sollte, gelingen, wenn in Deutschland:

  • 36 Medizinische Fakultäten insgesamt 8 akademische Positionen für Kinderradiologie aufweisen?

Die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Saarland und der Stadtstaat Bremen besitzen keine akademische Position im Fach Kinderradiologie.

Wir brauchen mehr akademische Positionen für Kinderradiologie.

Frage 4: Wenn wir diese Situation der Kinderradiologie – und es ist ein Desaster für die Kinder – ändern wollen:

  • dann muss erreicht werden, dass jede große Kinderklinik eine der radiologischen Abteilung zugeordnete kinderradiologische Stelle, mindestens in Oberarztposition, und eine Weiterbildungsstelle aufweist.
  • dann muss die Weiterbildungszeit im Schwerpunkt Kinderradiologie  verkürzt werden. (Der innerhalb der Deutschen Röntgengesellschaft konsentierte Vorschlag für eine Änderung der Weiterbildungsordnung schlägt eine Weiterbildungszeit im Schwerpunkt Kinderradiologie von 2 Jahren (zurzeit 3 Jahre) vor. Davon kann 1 Jahr in der Weiterbildungszeit zum Facharzt Radiologie untergebracht werden).
  • dann müssen wir zusätzliche Wege finden, die den Abwärtstrend bei in der Kinderradiologie weitergebildeten Ärztinnen und Ärzten beendet und umkehrt: z.B. durch eine IT-gestützte Weiterbildung und Etablierung von kinderradiologischen Netzwerken.
  • dann muss in jedem Bundesland mindestens ein Universitätsklinikum ein kinder-radiologisches Kompetenzzentrum aufweisen. Personelle und apparative Ausrüstung müssen den Aufgaben in Krankenversorgung, Weiterbildung und in Forschung und Lehre entsprechen.
  • Für Thüringen kann ein solches Kompetenzzentrum nur Jena sein.

 Details finden Sie bitte im Vortrag oder beim Verfasser persönlich.

Jochen Tröger
Professor für Kinderradiologie em.
Seniorprofessor distinctus Universität Heidelberg

Robert- Schuman-Str. 7
69207 Sandhausen
Tel.: 06224 52422
Mobil: 0151 55558617
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